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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sich langsam weiteten, der verständnislose Blick, hätte ich geglaubt, dass sie selbst die Schutzkuppel aufgebaut hätte – auch wenn dieses Privileg den hochrangigen Magiern vorbehalten ist.
    »Die beiden stehen unter meinem Schutz«, erklang es hinter meinem Rücken.
    Ich drehte mich – und sah Sebulon in die Augen. Erstaunlich war, dass die Vampirin nicht in Panik geriet. Erstaunlich war auch, dass sie Jegor nicht tötete. Der missglückte Angriff und das Auftauchen des Dunklen Magiers kamen für sie weitaus überraschender als für uns, denn ich hatte es erwartet, hatte mit dergleichen gerechnet, kaum dass ich das Amulett abgenommen hatte.
    Mich wunderte nicht, dass er so schnell gekommen war. Die Dunklen haben ihre eigenen Wege. Aber weshalb zog Sebulon, der Beobachter der Dunklen, diese kleine Auseinandersetzung seiner Anwesenheit in unserer Kommandozentrale vor? Hatte er das Interesse an Swetlana und dem über ihr hängenden Wirbel verloren? Hatte er etwas begriffen, das uns nicht aufgegangen war?
    Die verfluchte Angewohnheit, erst alles zu analysieren! Den Fahndern geht sie aufgrund des ureigenen Wesens ihrer Arbeit ab. Von Natur aus reagieren sie unverzüglich auf Gefahr, stürzen sich in den Kampf, erleiden Sieg oder Niederlage.
    Ilja hatte seinen magischen Stab bereits gezogen. Das fliederfarben-weiße Leuchten strahlte zu grell für einen Magier dritten Grades und zu gleichmäßig, um an ein plötzliches Aufflackern von Iljas Kraft glauben zu lassen. Höchstwahrscheinlich hatte der Chef selbst den Stab aufgeladen.
    Hatte er etwas geahnt?
    Hatte er mit dem Auftauchen von irgendjemandem gerechnet, dessen Kräfte den seinen ebenbürtig waren?
    Weder Tigerjunges noch Bär hatten ihr Äußeres verändert. Ihre Magie musste sich nicht anpassen – schon gar nicht, indem sie menschliche Körper annahmen. Bär blickte nach wie vor die Vampirin an und ignorierte Sebulon völlig. Tigerjunges stellte sich neben mich. Semjon rieb sich die Hüfte und ging langsam um die Vampirin herum, wobei er demonstrativ vor ihr herschlenderte. Den Dunklen Magier überließ er uns.
    »Die beiden?«, brüllte Tigerjunges.
    Im ersten Moment begriff ich überhaupt nicht, was ihr gegen den Strich ging.
    »Die beiden stehen unter meinem Schutz«, wiederholte Sebulon. Er mummte sich in einen formlosen schwarzen Mantel ein, auf dem Kopf saß ihm eine zerknautschte Kappe aus dunklem Pelz. Die Hände versteckte der Magier zwar in den Taschen, doch aus irgendeinem Grund war ich mir sicher, dass er nichts dabei hatte, kein Amulett, keine Pistole.
    »Wer bist du?«, schrie die Vampirin. »Wer bist du?«
    »Dein Hüter und Beschützer.« Sebulon sah mich an, nein, er sah mich nicht an, sondern streifte mich mit dem Blick, schaute an mir vorbei. »Dein Herr.«
    Was hatte er, war er verrückt geworden? Die Vampirin hatte nicht die geringste Ahnung von der Verteilung der Kräfte. Sie war völlig aufgedreht. Hatte eben noch mit dem Tod gerechnet – dem Ende ihrer Existenz. Nun tauchte da die Möglichkeit auf, mit heiler Haut davonzukommen, aber dieser Ton …
    »Ich habe keinen Herrn!« Die Frau, die Leben aus dem Tod anderer zog, lachte. »Wer auch immer du bist, einer vom Licht, einer vom Dunkel – merk dir das. Ich habe keinen Herrn!«
    Sie bewegte sich weiter auf den Rand des Dachs zu, schleifte Jegor mit sich. Immer noch hielt sie ihn mit einer Hand gepackt, während die andere an seinem Hals lag. Eine Geisel – ein geschickter Zug gegen die Kräfte des Lichts.
    Und womöglich auch gegen die Kräfte des Dunkels?
    »Sebulon, wir sind einverstanden«, sagte ich. Ich legte die Hand auf den durchgedrückten Rücken von Tigerjunges. »Sie gehört dir. Nimm sie mit – bis zum Prozess. Wir halten uns an den Vertrag.«
    »Ich nehme mir beide …« Blind schaute Sebulon nach vorn. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht, doch die Augen des Magiers, die nie blinzelten, waren weit aufgerissen, als seien sie aus Glas gegossen. »Die Frau und der Junge gehören uns.«
    »Nein. Nur die Vampirin.«
    Schließlich würdigte er mich doch noch eines Blickes.
    »Adept des Lichts, ich hole mir nur, was mir zusteht. Ich achte den Großen Vertrag. Die Frau und der Junge gehören uns.«
    »Du bist stärker als jeder von uns«, sagte ich. »Aber du bist allein, Sebulon.«
    Traurig und mitleidig lächelnd schüttelte der Dunkle Magier den Kopf.
    »Nein, Anton Gorodezki.«
    Sie traten hinter dem Fahrstuhlschacht hervor, ein Mann und eine Frau, beide jung. Die mir

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