10 - Das Kloster Der Toten Seelen
recht einfach.«
Gwlyddien lachte. »Was ich von dir gehört habe, scheint zu stimmen, Fidelma von Cashel.« Jetzt wandte er sich mit ausgestreckter Hand Eadulf zu, der, von ihrem Wortwechsel ein wenig befremdet, abseits gestanden hatte. »Und wo Fidelma hingeht, da ist natürlich auch ihr Begleiter Eadulf von Seaxmund’s Ham. Unsere Barden berichten uns, daß vor zweihundert Jahren das Land des Südvolks, das Land, aus dem du stammst, einst das Königreich jener Britannier war, die man die Trinovantes nennt. Aus diesem Stamm ist einer unserer größten Könige hervorgegangen – Cunobelinos, der Hund von Belinos, gegen den nicht einmal die römischen Kaiser Krieg zu führen wagten.«
Eadulf trat nervös von einem Bein aufs andere. »Tempus edax rerum« , murmelte er eine Zeile von Ovid.
Einen Augenblick lang starrte ihn Gwlyddien mißbilligend an. Dann seufzte er und senkte den Kopf, als akzeptiere er das Unvermeidliche.
»Ja, die Zeit verschlingt alle Dinge. Doch sagt nicht auch Vergil, daß das Schicksal einen Weg findet? Was einst war, kann vielleicht wieder sein.«
Eadulf war das unangenehm. Er hatte gehört, daß die Britannier nicht die Hoffnung aufgegeben hatten, eines Tages die Angelsachsen wieder aufs Meer hinauszutreiben. Er fragte sich, wie er dem König antworten sollte, doch das brauchte er nicht mehr. Gwlyddien hatte auf dem Lehnstuhl Platz genommen, den der Abt ihm frei gemacht hatte, während der sich nun auf einem einfachen Stuhl niederließ.
»Setzt euch«, forderte sie der König mit einer ungeduldigen Handbewegung auf. »Die Antwort auf die Frage unseres sächsischen Freundes ist einfach. Von den Reisenden, die von Éireann durch unser Land kommen, und von den vielen Brüdern und Schwestern aus deinem Land, die an dieser Abtei studieren, erfuhren wir, wie Fidelma von Cashel dieses oder jenes rätselhafte Geheimnis gelöst oder diesen und jenen Fall aufgeklärt hat. Nachdem ich mit Abt Tryffin die Sache besprochen habe, glaube ich, daß du von Gott persönlich hierher in unsere Abtei gesandt worden bist, damit du uns beistehst.«
Es war allzu deutlich, daß ihr Besuch der Abtei Dewi Sant allein dem Ansehen seiner Gefährtin zu verdanken war. Ihn tolerierten die Britannier gerade – mehr nicht. Eadulf versuchte, sich seine finsteren Gedanken nicht anmerken zu lassen.
Fidelma hatte sich zurückgelehnt und betrachtete Gwlyddien mit gelassener Miene. »Mein Mentor Brehon Morann sagte immer, daß Komplimente nichts kosten und man doch teuer dafür bezahlt. Nach solchen Komplimenten für mich und Bruder Eadulf muß ich fragen, welcher Preis dafür gezahlt werden muß?« Sie hatte Eadulfs Namen mit leichtem Vorwurf ein wenig betont, weil der König ihn nicht erwähnt hatte.
Gwlyddien war so offene Worte anscheinend nicht gewohnt, und dem Abt schien ihre Frage peinlich zu sein. Doch der König blieb freundlich.
»Glaub mir, Fidelma von Cashel, ich bin kein Schmeichler.«
»Oh, da bin ich mir sicher«, erwiderte Fidelma rasch. »Also wollen wir gleich auf den Kern deines Anliegens zu sprechen kommen, als uns weiter mit Nebensächlichkeiten aufzuhalten.«
Auf eine Handbewegung des Königs hin sprach nun Abt Tryffin.
»Etwa zwanzig Meilen nördlich von uns befindet sich eines unserer Tochterhäuser, die Abtei von Llanpadern. Die Bezeichnung Abtei ist vielleicht ein wenig übertrieben für die kleine Klostergemeinschaft, die dort lebt. Bruder Cyngar, ein Mönch aus einem anderen Kloster, kam auf seinem Weg zu uns an Llanpadern vorbei und wollte dort um Gastfreundschaft bitten. Er traf gestern zutiefst bestürzt und verängstigt hier ein. Er ist jedoch jung und leicht zu beeindrucken. Seinen Berichten entnehmen wir, daß das Kloster verlassen und leer ist. Wie ausgestorben.«
Abt Tryffin lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, als erwarte er eine Reaktion auf seine Worte.
Fidelma erkundigte sich ruhig: »Wie viele Mönche leben sonst in Llanpadern?«
»Siebenundzwanzig. Sie arbeiten auf dem Feld, führen einen kleinen Bauernhof und versorgen sich selbst.«
Fidelmas Augen weiteten sich. »Siebenundzwanzig? Ist diese Zahl zufällig gewählt worden?«
Abt Tryffin zeigte sich erstaunt über ihre Frage.
»Wenn es einer längeren Erklärung bedarf, ist es eher unwichtig«, überging Fidelma ihre Frage rasch. In ihrem Land hatte die Zahl siebenundzwanzig eine mystische Bedeutung. »Also, Bruder Cyngar fand das Kloster menschenleer vor, und er konnte vermutlich nicht feststellen, warum das so
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