10 - Das Kloster Der Toten Seelen
Ein geschäftiges Treiben begann, die Männer saßen auf, das Unterholz knackte, als sie auf ihren Pferden davonstoben. Fidelma hatten sie im Dunkel der Hütte allein gelassen.
Einerseits freute sie sich darüber, daß Eadulf die Flucht gelungen war, und sie hoffte, daß er ihnen nicht in die Hände fiel. Andererseits wurde ihr bewußt, daß sie nun allein und hilflos Clydog und seiner Räuberbande ausgeliefert war. Bei seiner Rückkehr würde Clydog völlig unberechenbar und hemmungslos sein. Sie lag da und lauschte, ob die Pferde zurückkehrten. Sie fragte sich, wohin sich Eadulf wohl durchschlagen würde. Vermutlich versuchte er, nach Llanwnda zu gelangen, um entweder von Bruder Meurig oder Gwnda, dem Fürsten von Pen Caer, Hilfe zu erbitten. Doch selbst wenn ihm das gelänge, es würde einige Zeit verstreichen, ehe er mit den Rettern hier auftauchte, wenn er überhaupt die Stelle wiederfände und Clydog nicht inzwischen woanders sein Lager aufgeschlagen hatte.
Vergeblich zerrte sie an ihren Fesseln. Sie waren viel zu fest. Sie fragte sich, wieviel Zeit ihr noch verbliebe, bis Clydog mit seinen Leuten wieder zurück war, und sie betete, daß Eadulf ihnen entkommen möge.
Dann hörte sie im Dunkel einen Laut. Sie drehte sich um und bemerkte, wie jemand die Hütte betrat.
K APITEL 10
Fidelma versuchte sich aufzurichten, um sich, so gut sie konnte, zu verteidigen.
»Leise!« hauchte eine Stimme.
Fidelma schnappte ungläubig nach Luft. »Eadulf!« flüsterte sie teils erleichtert, teils verblüfft. »Was tust du denn hier? Ich dachte, du seist längst über alle Berge.«
Eadulf hockte sich neben sie. Seine flinken Hände machten sich an ihren Fesseln zu schaffen.
»Ich hoffe, Clydog und seine Bande denken das gleiche – daß ich nämlich mit einem Pferd geflohen bin«, erwiderte er vergnügt.
»Wie ist es dir gelungen, dich zu befreien?«
»Ganz einfach. Als mir der Mann die Bratenscheiben brachte, bat ich ihn, mir eine Hand loszubinden, damit ich das Essen zum Mund führen könnte. Das tat der Trottel dann auch. Er dachte wohl, ich sei immer noch ausreichend gefesselt, und ging wieder. Zügig knüpfte ich einen Knoten nach dem anderen auf und …«
»Wenn uns Clydog noch einmal zu fassen kriegt, wird er uns beide umbringen«, unterbrach sie ihn.
»Ich weiß. Ich habe gehört, was hier vorging. Hat er dir etwas getan?« fragte er ein wenig verlegen.
»Mir ist nichts geschehen. Doch Clydog ist in seinem Stolz verletzt.«
»Ich wußte, daß du ihn mit deinen Verteidigungskünsten hinhalten würdest. Erst wollte ich in der Hütte warten und dich befreien. Doch als ich hörte, daß Clydog entschlossen war, mich auf der Höhe meiner Jugend zum Märtyrer zu machen, habe ich mich lieber davongeschlichen. Ich versteckte mich im Wald und konnte beobachten, wie sie dich in die Hütte zerrten. Da band ich ein Pferd los und gab ihm einen Klaps auf die Hinterhand, so daß es fortgaloppierte.«
Fidelma spürte, wie sich das Seil um ihre Hände lockerte.
»Ich bin frei!« sagte sie schnell. Sie rieb sich die Handgelenke, damit das Blut wieder normal fließen konnte.
Eadulf half ihr auf die Beine.
»Und was nun?« fragte sie ihn, obwohl sie wußte, daß er schon einen Plan hatte.
»Sie haben unsere beiden Pferde hiergelassen. Ich schlage vor, wir reiten einfach in die entgegengesetzte Richtung.«
Sie traten gerade aus der Hütte, als Fidelma ihn plötzlich wieder zurückzog. Er bemerkte sofort den Grund.
»Halt!« rief eine Stimme. Einer der Banditen war als Wache im Lager zurückblieben und rannte auf die Hütte zu. Auf seinem erhobenen Schwert sahen sie den Widerschein des Feuers. »Bleibt stehen. Ihr könnt nicht entkommen.«
Eadulf handelte rasch. Er bückte sich, nahm eine Handvoll Dreck und schleuderte ihn dem Mann entgegen. Er warf nicht einmal mit besonderer Kraft, sondern nur, um den Bewacher abzulenken, der dem Wurf auszuweichen versuchte. Im selben Augenblick hatte sich Eadulf von einem Holzstapel den erstbesten Knüppel gegriffen. Er drehte sich mit schneller Bewegung um seine Achse und ging in Verteidigungsstellung. Inzwischen hatte sein Gegner bemerkt, daß von dem geschleuderten Dreck keine Gefahr drohte. Da stand Eadulf auch schon vor ihm, den Knüppel über dem Kopf des Mannes. Die beiden waren sich nun viel zu nah, als daß der andere sein Schwert hätte einsetzen können. Blitzschnell schlug Eadulf zu.
»Komm, los!« rief er Fidelma zu, noch ehe der Bandit zu Boden gegangen war. Fidelma
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