10 - Das Kloster Der Toten Seelen
nur das Rohgold übergeben, das mein Vater Iorwerth versprochen hat.«
Iorwerth nahm die Tasche entgegen und schüttete Metallstücke aus, die eher wie Steinklumpen als wie kostbares Gold aussahen.
»Ausgezeichnet«, bemerkte Iorwerth, als er sie begutachtete. »Alles wie vereinbart. Übermittle deinem Vater herzliche Grüße, Dewi.«
Der Bursche verabschiedete sich höflich und wandte sich zu seinem Pferd um, während Iorwerth zu Fidelma sagte: »Ihr könnt nun eintreten und sagen, was ihr von mir wollt.«
Gerade als Fidelma der Aufforderung Folge leisten wollte, sagte Eadulf: »Ich komme gleich nach. Ich muß noch mal mit Dewi reden.«
Neugierig zog Fidelma eine Augenbraue hoch. Eadulf hatte ihren Blick bemerkt und deutete mit dem Kopf auf eine Ecke von Iorwerths Schmiede. Fidelma konnte ihre Überraschung eben noch verbergen. Dort stand eine Strohpuppe, die genau der glich, die sie zuvor in der Kapelle von Llanpadern entdeckt hatten.
»Nun, Schwester?« fragte Iorwerth und führte sie in seine kleine Behausung. Darin war es unangenehm eng und dunkel. Fidelma mußte sich ein wenig bücken, denn sie war eine hochgewachsene Frau. Ihr Kopf stieß fast an die niedrigen Balken. Das Feuer verbreitete eine stickige Wärme. Fidelma wartete nicht erst darauf, daß Iorwerth ihr einen Platz anbot, sie wußte, daß sie da vergeblich warten würde.
»Was willst du also?« fragte er schroff.
»Wir wollen mit dir über Idwal reden.«
»Aber Gwnda hat doch gesagt …«
Fidelma sah ihn mit eisigem Blick an.
»Ja? Was hat Gwnda gesagt?«
Iorwerth zuckte ein wenig mit der Schulter. »Der Mordfall an meiner Tochter ist geklärt.«
»Das stimmt nicht. Du hast gehört, daß ich eine Vollmacht von König Gwlyddien habe, oder? Die Sache ist erst erledigt, wenn ich es ausdrücklich sage.«
»Idwal hat meine Tochter ermordet, und er hat Bruder Meurig ermordet …«
»Und du hast ihn ermordet?« beendete Fidelma seinen Satz. In diesem Moment trat Eadulf herein und stellte sich hinter sie.
»Ich habe nichts damit zu tun«, widersprach Iorwerth, »nicht so, wie du es meinst. Die Leute haben ihn getötet.«
»Ach.« Fidelma lächelte. »Die Leute … Sag mir doch, wie das vor sich ging.«
»Als Gwnda uns mitteilte, daß Bruder Meurig erschlagen in der Waldhütte liegt, wußten wir alle sofort, daß es Idwal gewesen ist. Schließlich hat er meine Tochter vergewaltigt und umgebracht. Hättet ihr und Bruder Meurig nicht eingegriffen, so hätte die Gerechtigkeit schon vorher ihren Lauf genommen.«
Fidelma beschloß, jetzt nicht weiter darauf einzugehen. »Du hast mir immer noch nicht erklärt, wie es dazu kam.«
»Ich ahnte, daß sich der Junge bei der alten Eiche nicht weit von der Hütte im Wald verbarg.«
»Woher wußtest du von dieser Stelle?« fragte Fidelma gespannt.
»Der Junge hatte feste Gewohnheiten. Als Kind hatte er dort gespielt. Mit Mair und Elen und den anderen Kindern.«
»Weiter.«
»Also gingen wir dorthin, ein Dutzend Männer aus dem Ort hier. Idwal war tatsächlich dort. Als er uns sah, versuchte er zu entkommen. Ich bin mir nicht sicher, wer es tat, doch er hing kurz darauf an der Eiche.« Der Schmied sah sie rechtfertigend an. » Vox populi vox Dei. «
»Was hast du eben gesagt, Iorwerth?« fragte Eadulf überrascht.
»Vox populi vox Dei« , wiederholte der Schmied. So, wie er die Wörter betonte, schienen sie ihm nicht unbedingt geläufig zu sein.
»Das ist ein bemerkenswerter Ausspruch. Du weißt, was er bedeutet?«
»Das entlastet uns von jeder Schuld«, erwiderte der Schmied.
»Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes«, übersetzte Fidelma versonnen. »Die Wünsche des Volkes stehen über allem, oder? Das entbindet euch von eurer Schuld, Mörder zu sein?«
Iorwerth schwieg.
»War Gwnda dabei, als ihr euch von eurer Wut habt treiben lassen?«
»Das solltest du ihn selbst fragen.«
»Ich vermute, er hat dir diesen lateinischen Ausspruch beigebracht, damit du ihn wie ein Zauberamulett zu deiner Verteidigung einsetzen kannst, oder?«
Iorwerth antwortete nichts darauf.
»War dir bekannt, daß deine Tochter keine Jungfrau mehr war?« Fidelma stellte diese Frage ganz unvorbereitet. »Du hast eine falsche Aussage gemacht, damit du noch Geld dafür bekommst, nicht wahr?«
Iorwerths Gesicht lief dunkelrot an. Er trat ein paar Schritte vor, doch Eadulf hatte sich schon schützend vor Fidelma gestellt. Der Schmied hielt seine Riesenfäuste geballt, als wolle er zuschlagen.
»Du wagst es, meiner
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