10 - Das Kloster Der Toten Seelen
Rückweg aus Cilau bin ich dort vorbeigekommen. Da saß der Krieger in der Nähe der Schmiede und trank einen Becher Met. Ich bin mir sicher, daß er mich vorbeigehen sah und mich erkannt hat. Ich lief zügig vorbei, doch als ich mich kurz umsah, bemerkte ich, daß er aufgestanden war und sich mit Iorwerth unterhielt. Beide blickten mir hinterher.«
»Und das hast du alles deinem Vater erzählt?«
»Er sagte, daß ich ein paar Tage verschwinden sollte, während er die Dinge wieder ins rechte Lot bringen wollte.«
»Wirklich?« murmelte Fidelma.
»Ich sagte, daß ich euch davon erzählen würde.«
»Und er hatte nichts dagegen einzuwenden?« fragte Eadulf erstaunt.
»Er sagte, daß es so am besten sei.«
»Ich verstehe«, erwiderte Fidelma nachdenklich.
»Wirklich?« Elen war sehr aufgewühlt. Ihre Stimme klang auf einmal ein wenig hysterisch. »Merkt ihr denn nicht, daß Iorwerth irgendeine Verbindung zu den Leuten haben muß, die seine Tochter ermordet haben? Er hat sogar dafür gesorgt, alles zu vertuschen, indem er sich dem Pöbelhaufen anschloß, der den armen Idwal umbrachte.«
K APITEL 16
»Du vermutest doch nur, daß Iorwerth in die Sache verwickelt ist«, sagte Fidelma und versuchte Elen zu beruhigen.
Elen schüttelte trotzig den Kopf.
»Du mußt logisch denken«, redete ihr Fidelma zu. »Der Krieger kann ebensogut in der Schmiede gewesen sein, um sein Pferd neu beschlagen zu lassen. Wieso glaubst du, daß er und Iorwerth etwas miteinander zu tun haben?«
»Weil sie miteinander gelacht und getrunken haben, als ich vorbeilief. Was sollte das sonst bedeuten, außer daß sie unter einer Decke stecken? Ich weiß, daß er mich erkannt hat und Iorwerth gefragt hat, wer ich bin.« Das Mädchen war offenbar sehr von seiner Sicht der Dinge überzeugt.
»Weißt du denn, was dein Vater inzwischen unternommen hat? Wollte er Iorwerth zur Rede stellen?«
»Ich weiß nicht, was er vorhat. Er sagte, ich solle verschwinden, bis er alles erledigt hätte.«
»Und er hatte nichts dagegen, daß du uns einweihst?« wollte Fidelma noch einmal wissen. Sie wandte sich Eadulf zu. »Ist es nicht eigenartig, daß er uns gegenüber nichts davon erwähnte, als wir bei Iorwerth in der Schmiede waren?«
»Vielleicht wollte er nicht, daß Iorwerth etwas davon erfährt«, gab Eadulf zu bedenken.
»Vielleicht«, stimmte ihm Fidelma widerwillig zu. »Sag mir, Elen, meinst du, daß Iestyn auch damit zu tun hat?«
»Er ist Iorwerths Freund.«
»Doch was für eine Art Mann ist er?«
»Heute ist er Bauer. Aber früher hat er als Krieger an vielen Kämpfen teilgenommen. Jetzt ist er alt, alt und verbittert, und meint, daß die Jugend ihm nicht genügend Respekt zollt.«
»Wo genau liegt sein Hof?« fragte Fidelma interessiert.
»Kennst du die Brücke über den Fluß, die in die Ortschaft hineinführt? Dort, wo sich Iorwerths Schmiede befindet?«
»Ja.«
»Ehe man die Brücke überquert, biegt man nach rechts ab und folgt dem Pfad. Ungefähr eine Meile am Fluß entlang. Am Ende des Weges liegt sein Gehöft.«
»Ist er verheiratet?«
»Er war verheiratet.«
»Kinder?«
»Sind alle in den Grenzkriegen für Gwlyddien gefallen. Das ist ein Grund für seine Verbitterung.« Elen schwieg kurz und blickte von einem zum anderen. »Es ist spät geworden. Wißt ihr jetzt genug von mir?«
Fidelma nickte.
»Was hast du vor?« fragte Eadulf das Mädchen, als es aufstand und sich den Mantel um die Schultern warf.
»Ich will fort von hier. Ich habe den Dienern meines Vaters gesagt, daß ich in Cilau bei meiner Cousine bleibe. Doch dorthin werde ich nicht gehen.«
»Wohin denn dann?« fragte Fidelma. »Mach dir keine Gedanken, du kannst uns voll vertrauen. Falls ich diesen Fall löse, was ich vorhabe, muß ich wissen, wo du dich aufhältst. Du könntest als Zeugin gebraucht werden.«
»Du wirst es niemandem verraten?« fragte das Mädchen unsicher.
»Nein.«
Elen blickte zu Eadulf, der ebenfalls nickte.
»Südwestlich von hier liegt ein Ort namens Llanrhian. Dort habe ich eine Freundin. Da will ich hin.«
»Etwa noch heute nacht? Bei diesem Wetter?«
»Besser nachts. Ich kenne den Weg sehr gut, niemand wird mich sehen.«
In der Ferne rollte der Donner. Elen zuckte zusammen. Dann fuhr ihre Hand in eine Tasche ihres Kleides, holte etwas hervor und reichte es Fidelma.
»Ich möchte, daß du das aufbewahrst. Idwal hat es mir gegeben, damit ich es für ihn hüte. Es war das einzig Wertvolle, was er besaß. Er fürchtete, die
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