10 - Das Kloster Der Toten Seelen
fiel über den Hof.
»Was siehst du?« fragte Eadulf und versuchte, etwas in dem Halbdunkel zu erspähen.
»Still!« zischte ihn Fidelma an. »Vor dem Haus sind zwei Pferde angebunden.«
»Ja, und?« erwiderte Eadulf, der nun genauso leise sprach wie sie.
»Das sind keine Ackergäule.«
»Ich verstehe nicht«, murmelte er, trat versehentlich in irgendwelchen Schlamm und stöhnte verärgert auf.
»Das sind zwei Streitrosse. Welche Krieger besuchen wohl des Nachts ein abgelegenes Bauerngehöft?«
»Clydog?« flüsterte Eadulf auf einmal beunruhigt.
»Es könnten alle möglichen Leute sein. Freunde. Selbst Verwandte. Aber wir sollten wohl lieber auf der Hut sein.«
Eadulf hatte schon einen Einwand auf den Lippen, doch dann zog er es vor zu schweigen. Aus Dank dafür, daß das Gewitter vorbei war und der Regen aufgehört hatte, murmelte er ein Gebet.
Fidelma lief vorsichtig auf das Bauernhaus zu. Sie erreichte, ohne ein Geräusch zu machen, ein Fenster und spähte hinein. Durch das grobe, undurchsichtige Glas konnte sie aber nichts erkennen. Sie sah sich zu Eadulf um und schüttelte den Kopf.
»Ich kann nichts entdecken«, flüsterte sie. »Aber ich glaube, daß Iestyn und seine Besucher im Haus sind.«
»Was machen wir jetzt?« fragte Eadulf. »Warten wir hier draußen im Feuchten, oder sollten wir einfach anklopfen?«
Fidelma berührte Eadulf am Arm und zeigte zur Scheune hinüber, hinter der sie ihre Pferde angebunden hatten. Gebückt liefen sie über den Hof und hatten das schwarze offenstehende Tor fast erreicht, als sich ein Schatten bewegte.
Ein bedrohliches Knurren, das in ein hohes Gebell überging, warnte sie, dann sprang ihnen ein riesiger Hund aus der Scheune entgegen. Er war nur einen Meter von Fidelma entfernt, als plötzlich sein Bellen verstummte und nur noch ein schmerzerfülltes Winseln zu hören war. Es kam Eadulf so vor, als sei das Tier mitten im Sprung aufgehalten worden. Es sank zu Boden, vor Schmerzen japsend und jaulend.
Eadulf konnte erkennen, daß der Hund angekettet war. Wären sie näher an der Scheune dran oder die Kette des Hundes länger gewesen, so hätte er sie erwischt.
Die Pferde im Hof fingen unruhig zu wiehern an. Der Hund knurrte und bellte beleidigt. Eadulf sah sich voller Verzweiflung um, packte dann Fidelma am Arm und schob sie auf ein kleines Gebäude zu, das von einer niedrigen Mauer umgeben war. Er sprang über die Mauer und half dann Fidelma auf die andere Seite. Um sie herum regte es sich. Dem Gestank nach mußten sie in einem Schweinekoben gelandet sein. Die Schweine beschnüffelten sie eingehend, legten sich dann aber – gleichgültig gegenüber den beiden Eindringlingen – wieder hin.
Vorsichtig hoben Fidelma und Eadulf die Köpfe. Am anderen Ende des Hofes ging gerade die Tür des Bauernhauses auf. Ein Mann hielt eine Laterne hoch. Der Hund bellte immer noch aufgebracht.
»Still, Ci!« fuhr ihn der Mann schroff an. »Was zum Teufel ist denn nur los mit dir?«
Sie erkannten Iestyn. Ein anderer Mann stellte sich neben ihn. Fidelma holte tief Luft und flüsterte dann Eadulf ins Ohr: »Das ist Corryn.«
Der Hund winselte ungeduldig, als er seinen Herrn sah.
»Was hat den Hund so aufgebracht?« fragte Corryn.
»Da draußen ist nichts«, erwiderte Iestyn. »Die Pferde sind scheu. Vielleicht haben sie ihm einen Schrecken eingejagt.«
»Vielleicht«, stimmte ihm Corryn zögernd zu. Er blickte sich im Dunkel um.
Nun gesellte sich ein Dritter dazu. »Dein Haus liegt weitab von der Ortschaft«, sagte dieser. »Da würde doch sicher niemand mehr so spät hier vorbeikommen, oder?«
Iestyn lachte bitter.
»Niemand kommt hier in einer solchen Nacht vorbei. Das da vorn ist der einzige Weg vom und zum Ort. Das weißt du. Und überhaupt, warum macht ihr euch solche Sorgen? Ich hätte mir mehr Gedanken darüber gemacht, am hellichten Tag in den Ort zu reiten. Man hätte dich erkennen können.«
Der dritte Mann lachte auf. »Ich glaube nicht, daß man mich erkannt hat. Dagegen habe ich das Mädchen wiedererkannt. Doch ich bin mir sicher, daß sie nicht wußte, wer ich bin. Egal, ich weiß ja nun, wer sie ist. Gwndas Tochter.«
»Genau«, warf Corryn ein. »Was ist, wenn sie jemandem etwas erzählt hat? Das Ganze war sehr gefährlich. Es könnte alle unsere Pläne zunichte machen.«
»Doch nur, wenn sie etwas aufgeschnappt hat. Sie hat wahrscheinlich gar nichts mitbekommen. Dennoch geht alles viel zu schleppend voran. Ceredigion kann nicht länger hingehalten
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