10 - Das Kloster Der Toten Seelen
ist.«
Die junge Magd knickste kurz und eilte hinaus.
»Was steht denn nun da?« erkundigte sich Eadulf ungeduldig.
»Es ist eine Nachricht von Elen, auf Latein.« Fidelma schwenkte das Pergament hin und her. »Da steht nur: Trefft mich nach dem Abendessen an der Hütte im Wald, wenn ihr könnt. Sagt niemandem etwas davon.«
Eadulf schürzte skeptisch die Lippen. »Ziemlich dramatisch«, bemerkte er. »Gehen wir hin?«
»Natürlich gehen wir hin«, erwiderte Fidelma.
Als sie die Lichtung im Wald erreichten, wo sie auf die Leiche von Bruder Meurig gestoßen waren, war es zwar noch früh am Abend, doch der Himmel war bereits stockdunkel. Schwarze Regenwolken waren plötzlich von Westen her aufgezogen, ein feiner Nieselregen fiel, der Himmel war sternenlos und bedrückend, nicht einmal den vertrauten Mond konnte man sehen. Außerdem war es eisig kalt.
»Ein eigenartiger Treffpunkt«, murmelte Eadulf, als sie sich mit ihren Pferden lautlos der Hütte näherten. Die Behausung lag nur eine halbe Reitstunde von der Ortschaft entfernt. Sie hatten zuvor überlegt, ob sie ihre Pferde zurücklassen sollten, damit man sie nicht bemerkte; es war zu Fuß leichter, ungewollten Begegnungen auszuweichen als zu Pferde. Doch ihnen war klar, daß sie dadurch mehr Zeit benötigten und ihr Unternehmen beschwerlicher wurde.
»Offensichtlich fürchtet sich Elen nicht vor Geistern. Immerhin wurde hier vor kaum zwölf Stunden ein Mönch umgebracht.«
»Mortui non mordent« , versicherte ihm Fidelma.
»Tote können vielleicht nicht beißen, aber …« Eadulf verstummte für einen Moment. »Absit omen!«
Ein Licht bewegte sich am Eingang der Hütte – dort stand jemand mit einer Laterne.
»Schwester Fidelma? Bist du es?«
Elens ängstliche Stimme drang zu ihnen.
»Ich bin’s und Bruder Eadulf«, rief Fidelma. Sie bewegten sich auf das Licht zu und saßen ab. Eadulf führte die Pferde an die Seite der Hütte, wo auch Elens Pferd angebunden war.
Sie folgten dem Mädchen ins Innere der Hütte. Man hatte sie gesäubert, nur der dunkle vielsagende Fleck auf dem Boden war noch da, die Stelle, an der Bruder Meurig zu Tode gekommen war. Elen stellte die Laterne auf den Tisch und setzte sich auf eine Bank in einer Ecke. Fidelma nahm auf einem kleinen Holzschemel ihr gegenüber Platz, während Eadulf sich umschaute und sich dann unbeholfen am anderen Ende der Bank niederließ, auf der das Mädchen saß.
»Ein unwirtlicher Treffpunkt«, stellte Eadulf fest. »Und äußerst kalt«, fügte er zähneklappernd hinzu.
Das Mädchen stimmte ihm zu. »Aber lieber Unbequemlichkeit als Wärme und neugierige Augen und Ohren.«
»Hast du es wirklich ernst gemeint, als du sagtest, daß Mair aus Versehen umgebracht wurde und eigentlich du sterben solltest?« fragte Fidelma ganz direkt und sehr eindringlich.
Elen nickte unglücklich.
»Wer hat es auf dich abgesehen deiner Meinung nach, und aus welchem Grund?«
»In dieser Gegend treibt sich ein Geächteter herum, er heißt …«
»Clydog?« warf Eadulf ein. »Clydog Cacynen?«
»Ihr kennt ihn?« fragte das Mädchen verwundert.
Fidelma lächelte düster. »Wir hatten das Vergnügen, eine gewisse Zeit in seiner Gesellschaft verbringen zu müssen. Warum sollte er es auf dich abgesehen haben?«
»Letzte Woche bin ich durch den Wald nach Süden geritten. Mit dem einen Fuß meines Pferdes schien etwas nicht zu stimmen. Also stieg ich ab, um nachzusehen, was es ist. Da hörte ich unweit von mir laute, zornige Stimmen. Ich ließ mein Pferd stehen und schlich näher. Ich …« Sie hielt kurz inne und machte eine rechtfertigende Geste. »Ich bin neugierig und wollte wissen, wer sich da mit wem stritt und worüber.
Auf einer kleinen Lichtung abseits des Weges, den ich geritten war, waren drei Männer so in ihren Streit vertieft, daß ich, hinter ein paar Sträuchern verborgen, sie aus allernächster Nähe betrachten konnte. Einer von ihnen war ein Mönch, ein Mann mit breiten Schultern. Ich muß ihm schon irgendwo begegnet sein, doch ich weiß nicht, wo.«
»Wieso kam er dir bekannt vor?« fragte Eadulf verwundert.
Das Mädchen dachte nach. »Das kann ich nicht genau sagen. Vielleicht habe ich mich auch geirrt. Es war einfach so ein Gefühl.«
»Erzähl weiter«, forderte Fidelma sie auf. »Hast du die anderen erkannt?«
»Nur einen von ihnen. Das war Clydog Cacynen.«
»Woher kennst du ihn?«
»Vor ein paar Monaten lief ich mit einer Freundin nach Llanferran, und wir kehrten in Goffs Herberge
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