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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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finsteres Wasser, mit dem vollsten Rechte. Der Eindruck, welchen sein Anblick hervorbrachte, war ein derartiger, daß Rollins und Baumgarten eine ganze Weile an seinem Ufer hielten, ohne ein Wort zu sagen.
    „Nun, das ist das ‚Gloomy-water’ “, unterbrach der Ölprinz die herrschende Stille. „Was meint Ihr dazu, Mr. Rollins? Gefällt es Euch?“
    Aus seinem Staunen wie aus einem Traume erwachend, holte dieser tief Atem und antwortete: „Wie er mir gefällt? Welche Frage! Ich glaube, die alten Griechen hatten ein Wasser, über welches die Verstorbenen nach der Unterwelt fuhren. So wie der See hier muß dieses Wasser ausgesehen haben, gewiß so und nicht anders.“
    „Weiß nichts von diesem griechischen Gewässer, möchte aber doch behaupten, daß es mit unserm ‚Gloomy-water’nicht zu vergleichen ist, denn ich glaube nicht, daß es dort Petroleum wie hier gegeben hat. Steigt ab, Sir, und untersucht das Öl; wir wollen einen Rundgang um den See machen!“
    Die Reiter verließen ihre Sättel; sie mußten die Pferde anbinden, denn diese schnaubten und stampften und wollten fort. Der penetrante Petroleumgeruch war ihnen zuwider. Grinley trat hart an das Wasser heran, schöpfte mit der Hand, beroch und betrachtete es und sagte dann in triumphierendem Tone zu dem Bankier:
    „Hier habt Ihr die Dollars zu Millionen schwimmen, Sir; überzeugt Euch selbst.“
    Rollins schöpfte ebenso, ging weiter und schöpfte wieder; er untersuchte das Wasser an verschiedenen Stellen; er sagte kein Wort; er schüttelte und schüttelte nur immer wieder den Kopf. Er schien sprachlos geworden zu sein; aber seine Augen leuchteten, und in seinen Zügen arbeitete die außerordentliche Erregtheit, welche sich seines Innern bemächtigt hatte. Seine Bewegungen waren hastig und dabei sicher, fast taumelnd; seine Hände zitterten, und er schien alle Kraft zusammennehmen zu müssen, um endlich mit beinahe überschnappender Stimme ausrufen zu können: „Wer hätte das gedacht! Wer hätte das nur denken können! Mr. Grinley, ich finde alles, alles, was Ihr gesagt habt, hier übertroffen!“
    „Wirklich? Freut mich, Sir, freut mich ungeheuer!“ lachte der Ölprinz. „Seid Ihr nun endlich überzeugt, daß ich ein ehrlicher Mann bin, der es aufrichtig mit Euch gemeint hat?“
    Rollins streckte ihm beide Hände entgegen und antwortete: „Gebt Eure Hände her; ich muß sie Euch schütteln und drücken. Ihr seid ein Ehrenmann, wie ich noch keinen gefunden habe. Verzeiht es uns, daß wir in unserm Vertrauen einigemal unsicher geworden sind! Wir waren nicht schuld daran!“
    „Weiß es, weiß es, Sir“, nickte Grinley in biederer Weise. „Diese Fremden machten Euch an mir irre. Hättet nicht auf sie hören sollen; ist jetzt aber alles gut, alles! Untersucht das Öl, Sir!“
    „Habe schon, habe es untersucht.“
    „Nun, und –“
    „Es ist das schönste, das reinste Erdöl, welches zu haben ist. Woher kommt es? Hat der See einen Zufluß?“
    „Nein, nur diesen kleinen Abfluß. Es muß eine unterirdische Quelle da sein, eine oder vielleicht zwei: eine für das Wasser und eine für das Erdöl. Ihr seht, man braucht das letztere nur so abzuschöpfen und in die Fässer zu füllen.“
    Rollins wußte vor Entzücken weder aus noch ein. Baumgarten war nüchterner und bemerkte auf die letzten Worte: „Ja, man braucht nur abzuschöpfen; aber was dann, wenn abgeschöpft worden ist? Wann und wie stark läuft es nachher wieder zu?“
    „Natürlich schnell, so schnell, daß gar keine Unterbrechung der Arbeit eintreten wird.“
    „Das möchte ich nicht ohne Kritik annehmen. Es kann doch nur soviel zulaufen, wie abläuft. Nun seht den spärlichen Abfluß hier, welcher unser Wegweiser gewesen ist. Ich glaube, das Wässerchen führt pro Stunde keinen Liter Öl mit sich fort; das ist die Ausbeute, die ganze Ausbeute, die wir zu erwarten haben.“
    „Meint Ihr? Nicht mehr? Nicht mehr als bloß einen Liter in der Stunde?“ fragte der Bankier im Ton bitterster Enttäuschung.
    Der Mund blieb ihm vor Schreck offen stehen; sein Gesicht war leichenblaß geworden.
    „Ja, Mr. Rollins, so ist es“, antwortete der Buchhalter. „Ihr müßt doch zugeben, daß der Zufluß nicht größer als der Abfluß sein kann? Und wenn er größer wäre, zehnmal größer, hundertmal! Was sind hundert Liter Öl in der Stunde? Nichts, gar nichts. Rechnet die Höhe des Anlage- und des Betriebskapitals, die Abgelegenheit dieser Gegend, die hier vorhandenen Gefahren, die

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