10 - Der Ölprinz
Als sie da angelangt waren, sahen sie sich in einem ungefähr fünf Ellen hohen, fensterlosen Raum. Es war außer dem Loch oben in der Decke, durch welches sie herabgestiegen waren, nicht die kleinste Maueröffnung vorhanden. Dieses Stockwerk wurde von vier Querwänden in fünf Räume geteilt, deren mittelster der größte war; in diesem befanden sie sich. In einer Nische desselben brannte ein kleines Tonlämpchen, dessen matter Schein nur wenige Schritte weit zur Geltung kam.
Frau Rosalie sah sich kopfschüttelnd um. Als sie in dem ganzen Raum außer der Leiter und der Lampe nicht den geringsten Gegenstand entdeckte, sagte sie entrüstet: „Na, so was habe ich ooch noch nich gesehen und erlebt! Schteckt man denn seine Gäste in so een Loch, wo es keen Kanapee und keenen eenzigen Schtuhl nich gibt! Das is ja grad wie in eenem Keller! Wo setzt man sich hin? Wo hängt man seine Sachen off? Wo macht man das Feuer? Wo kocht man den Kaffee? Keen Fenster is zu sehen, und keen Ofen is da! Das muß ich mir wirklich sehr verbitten! Wir sind Damen, und Damen schteckt man nich in – – – Dunner Sachsen!“ unterbrach sie sich erschrocken, als sie den ersten Donnerschlag hörte, welcher bis in diesen Raum herabklang. „Ich gloobe gar, das hat eingeschlagen! Nich?“
„Ja, das war een Schlag, und was für eener!“ antwortete Frau Strauch. „Ich guckte grad in das Loch hinauf und habe es deutlich blitzen sehen.“
„Na, dann stellt euch nur gleich alle mit'nander dort in die hinterschte Ecke! Die Männer schprachen unterwegs davon, daß die Gewitter hier ganz andersen offtreten als bei uns derheeme. Wenn so een rabiater amerikanischer Blitz durch das Loch herunterkommt, sind wir bei lebendigem Leib off der Schtelle mausetot. Da is es freilich gut, daß es hier keen Heu, keen Schtroh und überhaupt keene brennbaren Sachen gibt. Verschteht ihr mich? Hört ihr's, wie der Regen da oben auftrappst? Du meine Güte, unsre guten Männer werden durchweecht bis off die Haut! Nachher gibt's Erkältung, Schnupfen, Leib- und Magenschmerzen, und wer hat die Sorgen und die Angst? Natürlich wir Weiber, wir Frauen, wir Damen, wie sich ganz von selbst verschteht! Wenn sie nur bald kämen!“
Ihr Wunsch wurde augenblicklich erfüllt, denn soeben kam der erste herabgestiegen, Hobble-Frank, dem nach und nach die andern folgten. Unten angekommen, schüttelte er die Nässe möglichst von sich, sah sich um und sagte enttäuscht: „Was is denn das für een konfernalisches Loch hier unten? Das soll doch nich etwa eene aggregate Wohnung für provisorische Menschen sein? Ich danke für Pflaumenkuchen zu Weihnachten! Nich mal das liebe Tageslicht will hier herunter! Wenn diese roten Gentlemen keenen bessern Aufenthaltsort für uns haben, werde ich ihnen nächstens eenen königlich sächsischen Baumeester herüberschicken. Der mag ihnen zeigen, was für een Unterschied is zwischen meiner brillanten ‚Villa Bärenfett‘ an der Elbe und dieser unterirdischen Hekatombe unter der Erde. Wo setzt man sich denn da eegentlich hin, wenn man müde is und een Mittagsschlummerchen riskieren will?“
„Überall hin, Herr Franke“, antwortete Frau Rosalie. „Platz is genug.“
„Wie? Was sagen Sie?“ fragte der Hobble gereizt. „Überall hin? Warum setzen denn Sie sich nich? Wohl weil es Ihnen nich paßt? Und was Ihnen nich gefällt, das is wohl für mich gut genug? Da kommen Sie freilich an den Unrichtigen. Bei meinen vestibulen Anlagen und Talenten habe ich es nich nötig, mit dem fürlieb zu nehmen, was andern Leuten nich in die Suppe und in den Kaffee paßt!“
„Still, Frank!“ forderte ihn Sam auf. „Es ist hier nicht der Ort und die Zeit zu solchen Häkeleien. Wir haben mehr und Besseres zu tun.“
„So? Was denn?“
„Vor allen Dingen müssen wir die Friedenspfeife rauchen, wenn ich mich nicht irre.“
„Mit diesen Indianern?“
„Ja, mit dem Häuptling wenigstens. Du weißt doch jedenfalls, daß man eines Roten erst dann sicher ist, wenn man das Kalumet mit ihm geraucht hat.“
„Das weeß ich wohl. Aber da hätten wir doch draußen roochen sollen!“
„Warum?“
„Um eben unsrer Sicherheit willen.“
„Es gab ja keine Zeit dazu.“
„Die hätten wir uns trotz des schlechten Wetters nehmen sollen. Jetzt schtecken wir in diesem Keller, und wenn die Roten es nich offrichtig mit uns meenen, so is es grad so gut, als ob – alle tausend Deixel! Siehste, daß die Geschichte schon losgeht? Da ziehen sie die Leiter in
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