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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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inzwischen womöglich ganz Meereen verschlungen.
    Von den Drachen sah er keine Spur, aber das hatte er auch nicht erwartet. Die Drachen mochten den Regen nicht. Ein schmaler roter Streifen am Horizont im Osten kündigte an, dass die Sonne bald aufgehen würde. Der Anblick erinnerte Selmy an das erste Blut, das aus einer Wunde sprudelte. Oftmals kam selbst bei tiefen Schnitten das Blut vor dem Schmerz.
    Er stand zwischen den Zinnen auf der Spitze der Großen Pyramide und suchte den Himmel ab wie jeden Morgen, wissend, dass die Dämmerung bevorstand, und in der Hoffnung, seine Königin würde mit ihr kommen. Sie wird uns nicht im Stich lassen, sie würde niemals ihr Volk verlassen, redete er sich ein, als er das Todesröcheln des Prinzen aus den Gemächern der Königin hörte.
    Ser Barristan ging hinein. Regenwasser rann über den Rücken seines weißen Mantels, und seine Stiefel hinterließen nasse Spuren auf Boden und Teppichen. Auf seinen Befehl hin hatte man Quentyn Martell ins Bett der Königin gelegt. Er war ein Ritter gewesen, noch dazu ein Prinz von Dorne. Daher erschien es ihm nur angemessen, ihn in dem Bett sterben zu lassen, das zu erreichen er die halbe Welt durchquert hatte. Das Bettzeug war ruiniert, Laken, Decke, Kissen, Matratze stanken nach Blut und Rauch, aber Ser Barristan war sicher, Daenerys würde ihm vergeben.
    Missandei saß am Bett. Sie hatte Tag und Nacht an der Seite des Prinzen ausgeharrt, war seinen Wünschen nachgekommen, soweit er sie ausdrücken konnte, und hatte ihm Wasser und Mohnblumensaft gereicht, wenn er in der Lage gewesen war zu trinken, hatte den gequälten Worten gelauscht, die er von Zeit zu Zeit hervorbringen konnte, hatte ihm vorgelesen, wenn er verstummte, und auf dem Stuhl neben ihm geschlafen. Ser Barristan hatte einige Mundschenke der Königin gebeten, ihr zu helfen, doch der Anblick des verbrannten Mannes hatte selbst die kühnsten unter ihnen überfordert. Und die Blauen Grazien waren gar nicht erst gekommen, obwohl er viermal nach ihnen geschickt hatte. Vielleicht war inzwischen auch die letzte von ihnen auf der Fahlen Mähre davongeritten.
    Die kleine Schreiberin aus Naath sah auf, als er sich näherte. »Geehrter Ser, der Prinz hat den Schmerz nun hinter sich. Seine dornischen Götter haben ihn heimgeholt. Seht Ihr? Er lächelt.«
    Woher weißt du das denn? Er hat keine Lippen mehr. Es wäre gnädiger gewesen, wenn die Drachen ihn verschlungen hätten. Dann wäre es zumindest schnell vorüber gewesen. So … Feuer ist ein schrecklicher Tod. Wen wunderte es da, dass die Hälfte der Höllen aus Flammen bestehen. » Deck ihn zu.«
    Missandei zog das Laken über das Gesicht des Prinzen. »Was wird jetzt mit ihm geschehen, Ser? Er ist so weit von seiner Heimat entfernt.«
    »Ich sorge dafür, dass er nach Dorne zurückkehrt.« Aber wie? Als Asche? Dazu war noch mehr Feuer notwendig, und noch mehr Feuer konnte Ser Barristan nicht ertragen. Wir müssen das Fleisch von seinen Knochen entfernen. Käfer, nicht sieden. Zu Hause hätten sich die Schweigenden Schwestern darum gekümmert, aber hier waren sie an der Sklavenbucht. Die nächste Schweigende Schwester war dreißigtausend Meilen weit entfernt. »Du solltest dich schlafen legen, Kind. In deinem eigenen Bett.«
    »Wenn diese hier sich die kühne Bemerkung erlauben darf, Ser, so gilt das auch für Euch. Ihr habt auch nicht die ganze Nacht durchgeschlafen.«
    Schon seit vielen Jahren nicht mehr, Kind. Schon seit dem Trident nicht mehr. Großmaester Pycelle hatte ihm einmal erzählt, ältere Männer bräuchten nicht mehr so viel Schlaf wie die jungen, aber das war nicht der einzige Grund. Er hatte ein Alter erreicht, in dem er sich davor scheute, die Augen zu schließen, weil er Angst hatte, sie nie wieder aufzuschlagen. Andere Männer wünschten es sich, im Bett und im Schlaf zu sterben, doch das war kein Tod für einen Ritter der Königsgarde.
    »Die Nächte sind zu lang«, erklärte er Missandei, »und es gibt vieles und noch viel mehr zu tun. Hier ebenso wie in den Sieben Königslanden. Aber du hast für den Augenblick genug getan, Kind. Ruhe dich etwas aus.« Und wenn die Götter gnädig sind, träumst du nicht von Drachen.
    Nachdem das Mädchen gegangen war, zog der alte Ritter die Decke noch einmal zurück und warf einen letzten Blick auf Quentyn Martells Gesicht oder das, was davon übrig geblieben war. Vom Fleisch des Prinzen hatte sich so viel abgelöst, dass man den Schädel darunter sehen konnte. Seine

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