10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
keinen. Eins von Morgan Liddles Maultieren fehlte, allerdings schien er zu glauben, die Flints hätten es ihm gestohlen.
Dreihundert Meilen von Deepwood Motte nach Winterfell, so wie der Rabe fliegt. Fünfzehn Tage. Der fünfzehnte Tag des Marsches kam und ging, und sie hatten noch nicht die halbe Strecke geschafft. Hinter ihnen blieb eine Spur aus zerbrochenen Karren und steifgefrorenen Leichen zurück, die vom Schneetreiben begraben wurden. Sonne und Mond und Sterne hatten sich schon so lange nicht mehr gezeigt, dass Asha sich langsam fragte, ob sie sie geträumt hatte.
Am zwanzigsten Tag des Marsches wurde sie schließlich von ihren Fußketten befreit. Am späten Nachmittag war eines der Pferde vor ihrem Wagen im Geschirr verendet. Ersatz konnte nicht gefunden werden. Alle verbliebenen Zugtiere mussten die Wagen mit Vorräten und Futter ziehen. Als Ser Justin dazukam, befahl er, das tote Pferd zu zerlegen und den Wagen zu Feuerholz zu machen. Dann nahm er Asha die Ketten von den Füßen und rieb ihr die Knöchel, um die Steifheit zu vertreiben. »Ich kann Euch kein Reittier anbieten, Mylady«, sagte er, »und wenn ich Euch zu mir auf den Sattel setzte, würde mein Pferd auch bald dran glauben. Ihr müsst gehen.«
Ashas Knöchel pochte bei jedem Schritt. Die Kälte wird den Schmerz noch früh genug betäuben, redete sie sich ein. In einer Stunde werde ich meine Füße nicht mehr spüren. Da hatte sie sich jedoch getäuscht: So lange sollte es gar nicht dauern. Als die Dunkelheit die Kolonne zum Halten brachte, taumelte sie bereits und sehnte sich nach der Bequemlichkeit ihres rollenden Gefängnisses zurück. Die Eisen haben mich geschwächt. Beim Abendessen war sie so erschöpft, dass sie am Tisch einschlief.
Am sechsundzwanzigsten Tag ihres Fünfzehn-Tage-Marsches wurde das letzte Gemüse verzehrt. Am zweiunddreißigsten Tag gingen Getreide und Futter aus. Asha fragte sich, wie lange ein Mann von rohem, halb gefrorenem Pferdefleisch überleben konnte.
»Ast schwört, es sind nur noch drei Tage bis Winterfell«, meldete Ser Richard Horpe dem König an diesem Abend nach der Kältezählung.
» Falls wir die schwächsten Männer zurücklassen«, ergänzte Corliss Heller.
»Die schwächsten Männer können wir sowieso nicht mehr retten«, hielt Horpe dagegen. »Diejenigen, die noch kräftig genug sind, müssen Winterfell erreichen, oder sie sterben ebenfalls.«
»Der Herr des Lichts wird uns die Burg schenken«, sagte Ser Godry Farring. »Wenn Lady Melisandre bei uns wäre …«
Nach einem albtraumhaften Tag, an dem die Kolonne lediglich eine Meile zurücklegte und ein Dutzend Pferde sowie vier Männer verlor, wandte sich Lord Erbsengraben gegen die Nordmänner. »Dieser Marsch war Wahnsinn. Jeden Tag sterben mehr Männer, und wofür? Für irgendein Mädchen?«
»Neds Mädchen«, sagte Morgan Liddle. Er war der zweitgeborene von drei Söhnen, daher nannten ihn die anderen Wölfe den Mittleren Liddle, allerdings nur selten, wenn er in Hörweite war. Es war Morgan, der Asha im Kampf bei Deepwood Motte beinahe erschlagen hätte. Später auf dem Marsch war er zu ihr gekommen und hatte sie um Verzeihung gebeten … weil er sie im Eifer des Gefechts Fotze genannt hatte, nicht weil er versucht hatte, ihr den Kopf mit einer Axt zu spalten.
»Neds Mädchen«, wiederholte der Große Eimer Wull. »Und wir hätten uns sie und die Burg längst geholt, wenn Ihr herumstolzierenden, südländischen Lackaffen Euch nicht wegen dem bisschen Schnee gleich in die Seidenhosen gepisst hättet.«
»Ein bisschen Schnee?« Erbsengraben verzog wütend den weichen, mädchenhaften Mund. »Auf Euren schlechten Rat hin haben wir diesen Marsch überhaupt erst angetreten, Wull. So langsam beschleicht mich der Verdacht, dass Ihr auf Boltons Seite steht. Ist es vielleicht so? Hat er Euch geschickt, um Gift ins Ohr des Königs zu flüstern?«
Der Große Eimer lachte ihm ins Gesicht. »Lord Erbsenhülse. Wäret Ihr ein Mann, würde ich Euch dafür töten, aber mein Schwert ist aus zu feinem Stahl geschmiedet, um es mit dem Blut eines Feiglings zu besudeln.« Er trank einen Schluck Bier und wischte sich den Mund. »Ja, Männer sind gestorben. Und es werden noch mehr sterben, ehe wir Winterfell erreichen. Was macht das schon? Wir sind im Krieg. Und Männer sterben im Krieg. So ist das eben. Und so war es schon immer.«
Ser Corliss Heller bedachte den Stammeshäuptling mit einem ungläubigen Blick. » Wollt Ihr denn sterben, Wull?«
Die Frage
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