10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
der ungewaschenen Kleidung und dem lauten Geschrei. Wenn es nicht zu voll war, ließ er sie fast immer hinein ins Warme kommen, und hin und wieder gab er ihr sogar einen Krug Bier oder etwas Essen aus und ergötzte sie mit seinen Geschichten. In jungen Jahren war Pynto der berüchtigtste Pirat der Stepstones gewesen, wenn man ihn so reden hörte; nichts liebte er mehr, als sich in aller Ausführlichkeit über seine Heldentaten auszulassen.
Heute Nacht hatte sie Glück. Das Wirtshaus war beinahe leer, und sie durfte in einer stillen Ecke nicht weit vom Feuer entfernt sitzen. Sobald sie sich niedergelassen und die Beine übereinandergeschlagen hatte, kuschelte sich etwas an ihren Schenkel. »Du schon wieder?«, sagte das blinde Mädchen. Sie kraulte seinen Kopf hinter dem Ohr, und der Kater sprang ihr auf den Schoß und fing an zu schnurren. In Braavos wimmelte es von Katzen, aber nirgendwo gab es so viele wie bei Pynto. Der alte Pirat glaubte, sie brächten Glück und hielten seine Schenke frei von Ungeziefer. »Du kennst mich, nicht wahr?«, flüsterte sie. Katzen ließen sich nicht von falschen Leberflecken hinters Licht führen. Sie erinnerten sich an Katz aus den Kanälen.
Es war eine gute Nacht für das blinde Mädchen. Pynto hatte hervorragende Laune und brachte ihr einen Becher mit verdünntem Wein, ein Stück stinkenden Käse und die Hälfte einer Aalpastete. »Pynto ist ein sehr feiner Mann«, verkündete er, dann setzte er sich zu ihr, um ihr zu erzählen, wie er das Gewürzschiff gekapert hatte, eine Geschichte, die er schon ein Dutzend Mal zum Besten gegeben hatte.
Im Laufe der Zeit füllte sich die Schenke. Pynto hatte bald keine Zeit mehr, sich mit ihr zu beschäftigen, aber ein paar seiner Stammgäste legten ihr Münzen in die Bettelschale. An anderen Tischen saßen Fremde: Walfänger aus Ibben, die nach Blut und Tran stanken, zwei Bravos mit Duftöl im Haar, ein dicker Mann aus Lorath, der sich beschwerte, Pyntos Sitznischen wären zu eng. Und später kamen drei Lyseni, Seeleute von der Herz aus Gold , einer vom Sturm schwer beschädigten Galeere, die es gestern Nacht nach Braavos hinein geschafft hatte und heute Morgen von den Wachen des Seeherrn beschlagnahmt worden war.
Die Lyseni setzten sich an den Tisch neben dem Feuer, tranken schwarzen Teerrum und sprachen leise, so leise, dass sie niemand belauschen konnte. Doch sie war niemand, und so verstand sie fast jedes Wort. Eine Zeitlang erschien es ihr, als könnte sie auch sehen, durch die gelben Schlitzaugen des Katers, der auf ihrem Schoß schnurrte. Einer war alt, und einer war jung, und einem fehlte ein Ohr, aber alle drei hatten weißblondes Haar und die glatte helle Haut von Lys, wo das Blut des alten Freistaats noch stark war.
Als sie der Gütige Mann am nächsten Morgen fragte, welche drei Dinge sie erfahren habe, die sie zuvor noch nicht gewusst hatte, war sie vorbereitet.
»Ich weiß, warum der Seeherr die Herz aus Gold beschlagnahmt hat. Sie hat Sklaven befördert. Hunderte von Sklaven, Frauen und Kinder, die im Frachtraum eingepfercht waren.« Braavos war von entlaufenen Sklaven gegründet worden, und Sklavenhandel war hier verboten.
»Ich weiß, wo die Sklaven herkamen. Es waren Wildlinge aus Westeros, sie stammen aus einem Ort namens Hartheim. Einer alten Ruine, die verflucht ist.« Old Nan hatte ihr Geschichten über Hartheim erzählt, damals in Winterfell, als sie noch Arya Stark gewesen war. »Nach der großen Schlacht und dem Tod des Königs-jenseits-der-Mauer, sind die Wildlinge weggelaufen, und diese Waldhexe hat ihnen gesagt, wenn sie nach Hartheim gingen, würden Schiffe kommen und sie zu einem warmen Ort bringen. Aber außer diesen beiden Piratenschiffen aus Lys, der Herz aus Gold und der Elefant , sind keine gekommen, und die hatte ein Sturm nach Norden verschlagen. Sie sind bei Hartheim vor Anker gegangen, um die Schiffe wieder in Stand zu setzen, und so haben sie die Wildlinge entdeckt. Es waren tausende, und sie hatten nicht genug Platz auf den Schiffen, also haben sie gesagt, sie könnten nur die Frauen und die Kinder mitnehmen. Die Wildlinge hatten nichts mehr zu essen, also haben die Männer ihnen ihre Weiber und Töchter übergeben, aber sobald die Schiffe auf See waren, haben die Lyseni sie unter Deck getrieben und gefesselt. Sie wollten sie alle in Lys als Sklaven verkaufen. Aber die Schiffe sind erneut in einen Sturm geraten und voneinander getrennt worden. Die Herz aus Gold war so beschädigt, dass der
Weitere Kostenlose Bücher