10 - Geheimagent Lennet und der Spinnenbaron
Normandie, aber auf einem Umweg. Mister Burton will seiner Familie am Strand die Stelle zeigen, an der er im Zweiten Weltkrieg mit den amerikanischen und englischen Truppen gelandet ist. Wir fahren über verschiedene andere Orte dorthin.«
»Wieviel Zeit rechnen Sie, bis Sie den Kriegsschauplatz erreichen?«
»Praktisch eine Woche. Erst geht es auf verschiedene Schlösser und dann zum Mont-Saint-Michel.«
Montferrand nahm die Pfeife aus dem Mund und sah seinen Geheimagenten wohlwollend an. »Lennet, für diese Aufgabe unterstehen Sie Hauptmann Blandine. Ich habe andere dringende Fälle und kann mich um diese Sache leider nicht kümmern. Blandine, sagen Sie Lennet bitte alles, was wir bisher von L.A.D.S. wissen.«
»Alles?« fragte Blandine, sichtlich unzufrieden.
»Alles«, erwiderte Montferrand entschieden und stieß eine dicke Rauchwolke aus.
Blandine wandte sich an Lennet.
»Zuerst müssen Sie Ihre Vorurteile fallen lassen. Weil Sie den Auftrag hatten, das Büro von Saint-Amarante zu durchsuchen, haben Sie natürlich vermutet, daß es sich um eine Betrüger-Organisation handelt. Nun, nach allem, was wir wissen, ist Saint-Amarante völlig ehrenhaft und bestens eingeführt in die Diplomatenkreise, in die Aristokratie und in politische Kreise. Und das nicht nur in Paris, sondern auch in der Provinz, was ja erheblich schwieriger ist. Das Reiseunternehmen hat er selbst aufgebaut, und es läuft prima dank seiner persönlichen Beziehungen in Frankreich und anderen Ländern, besonders in den Vereinigten Staaten. Der ganze Briefwechsel, den Sie fotografiert haben, läßt darauf schließen, daß alles völlig in Ordnung ist.
Folglich wird es Sie auch nicht erstaunen, wenn Sie erfahren, daß verschiedene Leute auf die Idee gekommen sind, diese Beziehungen und den guten Ruf des Unternehmens für ihre Zwecke auszunutzen. Wir wurden zuerst aufmerksam, als in der Werft von Toulon geheime Pläne verschwanden. Es waren Pläne für ein Atom-U-Boot. Der Geheimdienst hat aus verschiedenen Umständen geschlossen, daß sie durch einen südamerikanischen Touristen gestohlen worden sind, der in einem Schloß in der Gegend übernachtet und durch den Einfluß seines Gastgebers die Werft besichtigen durfte. Dann machte ein anderer Tourist, der ebenfalls mit L.A.D.S. reiste, einen mißlungenen Versuch, in die verbotenen Räume einer Waffenfabrik einzudringen. Wir wissen nicht, was er dort wollte. Wir wissen nur, daß er sich umbrachte, als sein Versuch scheiterte. – Die Dokumente, die Sie fotografiert haben, bescherten uns neben vielen fremden Namen auch den eines Marshall J.
Burton. Es handelt sich hierbei um einen Ingenieur, der in Amerika recht interessante Forschungen auf dem Gebiet des Kleinhubschraubers angestellt hat. Nun, dieser Mister Burton erwähnt in einem seiner Briefe, daß er gern die Laboratorien von Professor Pernon, dem Erfinder des fliegenden Motorrads besichtigen möchte.«
Lennet stieß einen leisen Pfiff aus. Langsam begann er zu begreifen, worauf der Hauptmann hinauswollte.
»Daß Professor Pernon den Besuch aller Fremden ablehnt, ist bekannt«, fuhr Blandine fort. »Doch Mister Burton rechnet mit der Unterstützung von Monsieur Saint-Amarante, um eine Erlaubnis zum Besuch der Werkstätten zu erhalten. Selbst wenn er das Entwicklungslabor nicht sehen kann, möchte er doch dem Erfinder die Hand drücken, schrieb er. Sie sehen, worauf das hinausläuft?«
»Muß man nicht eine Komplizenschaft zwischen Saint-Amarante und diesem neugierigen Besucher vermuten?« fragte Lennet. »Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß der alte Geier ein Unschuldslamm ist!«
Montferrand neigte zum Zeichen der Zustimmung den Kopf.
»Man kann alles vermuten«, erwiderte Blandine. »Es kann sein, daß es neben dem offiziellen Briefwechsel auch noch einen geheimen gibt, und daß Saint-Amarante sich zusätzlich dafür bezahlen läßt, daß er seinem Gast seine Beziehungen zur Verfügung stellt. Das wäre möglich, aber wir haben keine Anhaltspunkte dafür.
Andererseits sieht es so aus, als sei Saint-Amarante völlig ehrenhaft, wenn nicht sogar naiv. Es wird Ihnen vielleicht auffallen, daß es nicht in seinem Interesse liegt, sich allzusehr um das zu kümmern, was seine Gäste an den Orten machen, die sie besuchen. Er kann einfach die Augen zudrücken, ohne selbst beteiligt zu sein. Können Sie folgen?«
»Ja, Hauptmann.«
»Unter diesen Bedingungen besteht Ihre Aufgabe darin, diesen Mister Burton so hautnah wie möglich zu
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