10 - Operation Rainbow
nicht von der Begeisterung hinreißen lassen.« Alle merkten, daß er damit nur sein Unbehagen überspielte; die anderen empfanden es ebenso und mußten es desto energischer abstreiten.
»Wir werden Iljitsch rausboxen«, verkündete Rene. »Andernfalls verhängt Paris ein Todesurteil über einhundert Kinder. Das werden sie nicht wagen. Am Schluß lassen wir einige der Gören in den Libanon mitfliegen... Darüber sind wir uns doch einig, oder?« Er blickte in die Runde und sah neun Kameraden nicken. » Bien . Nur Kinder werden sich bei dieser Sache in die Hosen machen, nicht wir.« Einige lachten pflichtschuldigst, während sich der Kellner näherte. Rene bedeutete ihm, noch etwas zu trinken zu bringen. Die Auswahl hier war nicht übel, besseren Wein würden sie für lange Zeit nicht mehr bekommen. Denn dann mußten sie unter islamischen Regimen leben, ständig auf der Hut vor DGSE-Agenten, und hoffentlich mit mehr Erfolg als Carlos. Nun, ihre Identitäten würden nicht so schnell auffliegen; diese Lektion hatte sie Carlos' Schicksal gelehrt. An die Öffentlichkeit zu gehen, zahlt sich nicht aus. Er kratzte sich den Bart, der ihn juckte; dieses Jucken garantierte in den nächsten paar Jahren für seine persönliche Sicherheit. »Wieviele Besucher werden für morgen erwartet, Andre?«
»Thompson-CSF schickt sechshundert Mitarbeiter mit ihren Familien her; Betriebsausflug in einer ihrer Niederlassungen. Besser hätten wir's kaum treffen können«, berichtete der Wachbeamte. Thompson gehörte zu den größten französischen Rüstungskonzernen. Einige der Manager dürften der französischen Regierung lieb und t euer sein, mithin auch ihre Kinder; und dann noch der politische Hintergrund - das Glück meinte es wirklich gut mit ihnen. »Sie werden gemeinsam in den Park marschieren, die Streckenführung ihrer Besichtigungstour liegt mir vor. Gegen Mittag kommen sie zum Lunch in die Ritterburg und sehen sich eine Revue an. In diesem Moment greifen wir an, Freunde.« Zuzüglich eines kleinen Extras, das sich Andre heute früh überlegt hatte.
» D'accord? « Rene sah sich fragend um. Die anderen signalisierten Einverständnis. Ihre Blicke waren jetzt zuversichtlicher; die Bedenken von vorhin waren ausgeräumt. Die Aktion stand unmittelbar bevor, den Entschluß dazu hatten sie längst gefaßt. Der Kellner kam mit zwei Karaffen Wein und schenkte nach. Man prostete sich zu, das letzte Mal für lange Zeit vielleicht, und der Alkohol spülte auch den letzten Vorbehalt hinweg.
***
»Ist es nicht sagenhaft?« Chavez sprang auf. »Sowas gibt's nur in Hollywood. Die Knarren halten sie in der Hand wie Kartoffelschälmesser, und dann treffen sie ein Eichhörnchen auf zwanzig Meter in die linke Backe! Das würd' ich gern können, verdammt!«
»Mehr Übung, Domingo«, schlug John spöttisch vor. Der Schurke auf dem Fernsehschirm flog fast vier Meter rückwärts, als treffe ihn eine Panzerfaust und nicht bloß eine 9mm-Pistolenkugel. »Ich frage mich, wo man die kaufen kann.«
»Wir können sie uns sowieso nicht leisten, Erhabener Großbuchhalter!«
Bei diesem Spruch hätte John fast seinen letzten Schluck Bier verschüttet. Wenige Minuten später hörte der Film mit Happy-End auf. Der Held kriegte das Mädchen. Die Bösen hatte es alle erwischt. Der Held kündigte in der Agentur seiner Eltern, empört über Dummheit und Korruption und wanderte sichtlich zufrieden mit seiner Arbeitslosigkeit in den Sonnenuntergang. Doch, das war Hollywood, dachte Clark. Und damit endete der gemütliche Abend auch schon; Ding und Patsy kehrten heim, John und Sandy legten sich schlafen.
***
Es war doch bloß eine große Filmkulisse, sagte sich Andre, als er den Park eine Stunde vor Öffnung der Tore betrat, vor denen sich jetzt schon die ersten neugierigen Besucher versammelten. Und alles so amerikanisch, obwohl sie sich alle Mühe gaben, den Park europagerecht zu gestalten. Die Idee, die darunter steckte, stammte natürlich aus Amerika, von diesem Idioten Walt Disney, der mit seinen Mickymäusen und Kindermärchen das Proletariat ausplünderte. Religion war nicht länger Opium des Volks, sondern der Eskapismus, die Sehnsucht, dem nüchternen, grauen, verhaßten Alltag zu entfliehen, den die verbürgerlichte Masse nicht als das erkannte, was er war. Was trieb sie denn hierher? Die Kinder, die mit schrillen Stimmchen nach Trollen und anderen japanischen Cartoonfiguren verlangten, nach einer Berg-und-Talfahrt in dem widerlichen Stuka! Selbst
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