10 - Operation Rainbow
In Madrid liefen bereits andere Vorbereitungen an, als Hauptmann Gassman in seinen Wagen stieg und zum Worldpark hinausfuhr. Selbst mit Blaulicht und Sirene brauchte er dreißig Minuten, konnte also während der Fahrt einigermaßen konzentriert nachdenken, trotz des Gejaules aus dem Lautsprecher. Sechzehn Männer waren zur Stelle oder unterwegs, aber gegenüber zehn Bewaffneten reichte das bei weitem nicht aus, nicht einmal, um den Worldpark einzukreisen. Wie viele würde er brauchen? Sollte er die Eingreiftruppe alarmieren, die vor ein paar Jahren im Rahmen der Guardia Civil gebildet worden war? Vermutlich war es das Beste. Welche Kriminellen würden sich um diese Tageszeit am Worldpark vergreifen? Für einen Raubüberfall war es besser, abends zu kommen, wenn die Tore geschlossen wurden. Darauf waren seine Männer eingestellt, denn dann stand das Geld bereit, gebündelt und für den Transport zur Bank in Leinentaschen verpackt, bewacht vom Parkpersonal und seinen eigenen Leuten... Das war der wunde Punkt im Sicherheitssystem. Doch wer die Täter auch waren, sie hatten mittags zugeschlagen und Geiseln genommen, Kinder! Mit welchem Motiv? Waren es Einbrecher? Ganz gewöhnliche Kriminelle? Oder konnten es etwa Terroristen sein - die nahmen Geiseln... Aber Kinder... Baskische Freiheitskämpfer... und was dann?
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Doch schon glitten Gassman die Dinge aus der Hand. Der Direktor der Thompson-Niederlassung spielte auf dem Handy Klavier und rief die Firmenzentrale an; der Anruf wurde zum Aufsichtsratsvorsitzenden durchgestellt, der gerade in einem Straßencafe beim Mittagessen saß. Der Vorsitzende eilte sofort ins Büro, telefonierte mit dem Verteidigungsminister - und dann ging alles sehr schnell. Der Bericht des Thompson-Managers vom Tatort war knapp und erschreckend. Die abgetippte Mitschrift des Gesprächs wurde per Fax an den Premier- und den Außenminister übermittelt, und der letztere bat seinen spanischen Amtskollegen dringend um Bestätigung. Der Fall hatte längst die Ebene der Politik erreicht, als man im Verteidigungsministerium einen weiteren Anruf tätigte...
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»John Clark persönlich«, meldete sich Rainbow Six am Telefon. »Ja, Sir. Wo soll das genau sein...? Ich verstehe. Wieviele sind es? Okay. Schicken Sie alle Informationen, derer Sie habhaft werden können, direkt hierher... Nein, Sir. Wir können erst eingreifen, wenn der betroffene Staat uns anfordert. Danke, Herr Minister.« Clark legte auf und drückte einen Rufknöpf. »Al, komm sofort rüber. Wir kriegen wieder einen neuen Auftrag!« Als nächstes bestellte er auch Bill Tawney, Bellow, Chavez und Peter Covington zu sich.
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Der Thompson-Direktor war noch immer in Worldpark, wo er seine Leute an einem Imbißstand versammelte und durchzählen ließ; als ehemaliger Panzeroffizier der französischen Armee brachte er schnell Ordnung ins Chaos. Mitarbeiter, die ihre Familie noch vollzählig bei sich hatten, durften beiseite treten. Dann zählte er die jenigen, denen die Kinder weggenommen worden waren. Es stellte sich heraus, daß 32 Kinder vermißt wurden, dazu noch ein oder zwei Behinderte im Rollstuhl. Die Eltern waren verständlicherweise in heller Panik, doch es gelang ihm, sie einigermaßen zu beruhigen. Dann rief er erneut beim Vorsitzenden an und vervollständigte seinen ersten Lagebericht. Nachdem man ihm Papier beschafft hatte, wurde eine Liste mit Namens- und Altersangaben der Geiseln erstellt. Er selbst gab sich alle Mühe, die Fassung zu wahren, und dankte Gott, daß seine Kinder zu alt waren, um diese Reise mitzumachen. Anschließend führte er seine Mitarbeiter von der Burg weg und fragte, wo es Telefonzellen oder ein Faxgerät gab. Man führte sie allesamt durch eine hölzerne Schwingtür in ein gutgetarntes Service-Gebäude, und von dort auf die unterirdische Ebene. In der Notkommandozentrale trafen sie auf Mike Dennis, der immer noch die Mappe mit seiner Willkommensrede umklammert hielt und verzweifelt nachdachte, wer hinter dem Anschlag stecken könnte.
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Im selben Augenblick, als das Fax mit den Namen der Geiseln durch das Gerät ratterte, traf auch Gassman ein. Eine knappe Minute später rief der französische Verteidigungsminister aus Paris zurück. Es stellte sich heraus, daß er und der Thompson-Direktor, Robert Gamelin, alte Bekannte waren. Oberst Gamelin war der Leiter des Entwicklungsteams gewesen, das vor ein paar Jahren beim LeClerc-Panzer das Feuerleitsystem verbessert hatte.
»Wieviele
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