10 - Operation Rainbow
später zu sehen bekam. Die Presseberichte über Worldpark standen noch immer auf der Titelseite, waren aber bis unter den Knick in der Mitte gerutscht. Glücklicherweise schien kein Mensch in den Medien etwas von Rainbow zu ahnen. Die Reporter kauften den Polizeisprechern ab, daß die guttrainierte Guardia Civil den Befreiungsschlag geführt hatte.
»Ding, ich - weißt du, naja, ich...«
»Klar, Mädel. Ich weiß schon, was jetzt kommt. Du bist Ärztin, und dein Job besteht darin, Leben zu bewahren. Meiner auch, erinnerst du dich? Sie hatten über dreißig Kinder in ihrer Gewalt, und hatten eins schon umgebracht... Das hab ich dir nicht erzählt. Ich stand keine dreißig Meter weit entfernt. Ich konnte das Mädchen sterben sehen, Pats. Es war das Furchtbarste, was mir je vorgekommen ist, und ich konnte nichts dagegen tun«, berichtete er düster. Solche Alpträume wie der von heute nacht würden wohl noch ein paar Wochen andauern.
»Ach nein?« Sie fuhr herum. »Und warum nicht?«
»Wir griffen nicht ein - konnten es gar nicht, weil da noch eine ganze Schar Kinder drinnen saß, den Kerlen direkt vor der Flinte. So wollen diese Schweine ihre Entschlossenheit demonstrieren, nehme ich an. Eine Geisel abmurksen, damit wir sehen, wie skrupellos sie sind.« Ding hatte die Zeitung weggelegt und dachte nach. Er war mit bestimmten moralischen Grundsätzen aufgewachsen, lange bevor ihm die Armee der Vereinigten Staaten den Waffenkodex beibrachte: niemals, nie darf eine unschuldige Person Schaden nehmen. Dies zu beachten hieß, eine gewisse Grenze nicht zu überschreiten, um von anderen nicht als Mörder beschimpft zu werden, die nicht würdig waren, eine Uniform zu tragen oder einen militärischen Gruß zu empfangen. Doch diese Terroristen kehrten das Unterste zuoberst. Was stimmte bloß nicht mit ihnen? Inzwischen hatte er sämtliche Bücher von Paul Bellow gelesen, aber irgendwie noch immer nichts begriffen. Er war kein Dummkopf, hatte selbst studiert. Aber vielleicht mußte er sich diese Leute gar nicht näher ansehen als durch sein Zielfernrohr mit Fadenkreuz. Damit lernte man sie doch am besten kennen, oder?
»Was treibt sie nur dazu?«
»Ich weiß es beim besten Willen nicht, Mädel. Dr. Bellow meint, sie glauben so fest an ihre politische Überzeugung, daß sie ihre Menschlichkeit dafür aufgeben. Aber ich - ich kapier's nicht. So etwas könnte ich nicht. Klar, ich hab auch schon viele erledigt, aber nicht, weil es mir den richtigen Kick bringt, oder einer abstrakten Idee wegen. Es muß doch einen wichtigen Grund dafür geben, weshalb unsere Gesellschaft so etwas von mir erwartet; beispielsweise daß jemand ein Gesetz übertritt, das wir unbedingt befolgen müssen. Es ist nicht nett und macht auch keinen Spaß, aber es ist wichtig und jemand muß es tun. Dein Vater denkt auch so.«
»Du bist Daddy wirklich sehr ähnlich«, antwortete Patsy Chavez.
»Er ist ein guter Mann. Für mich hat er viel getan, und bei Einsätzen haben wir eine Menge zusammen erlebt. Er ist sehr klug - klüger vielleicht, als die beim CIA je kapiert haben. Das heißt, Mary Pat hat es kapiert. Die weiß Bescheid, auch wenn sie ein Cowgirl ist.«
»Wer? Mary wer?«
»Mary Patricia Foley. Sie ist Führungsoffizier, leitet die Außenposten der Firma. Großartige Frau, jetzt Mitte Vierzig, und sie versteht ihr Handwerk. Für uns Arbeitsbienen war sie die tollste Chefin, die man sich vorstellen konnte!«
»Bist du noch immer beim CIA angestellt, Ding?« wollte Patsy Chavez wissen.
»Auf dem Papier ja.« Ihr Ehemann nickte. »Keine Ahnung, wo ich in der Hierarchie der Verwaltung stecke, aber solange der Gehaltsscheck regelmäßig kommt« - er mußte grinsen - »mache ich mir darum keine Sorgen. Und wie läuft's bei dir in der Klinik?«
»Mama geht es gut. Sie ist jetzt Nachtschwester in der Pädiatrie, und ich wechsle auch dorthin nächste Woche.«
»Genug Babies entbunden?« fragte Ding.
»Nur noch eins dieses Jahr, Domingo.« Patsy klopfte auf ihren runden Bauch. »Bald muß ich mit den Geburtsvorbereitungskursen anfangen. Du wirst doch hoffentlich mit dabei sein?«
»Aber natürlich werde ich, Liebling!« versicherte er. »Das Kind kann doch nicht ohne meine Hilfe zur Welt kommen!«
»Bei mir war Daddy nicht dabei. Wahrscheinlich bekam er keinen Urlaub. Gemeinsame Kurse waren damals noch nicht üblich.«
»Wer setzt sich denn heute noch rauchend auf den Flur und liest Zeitung?« Chavez schüttelte den Kopf. »Die Zeiten ändern
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