10 - Operation Rainbow
wäre er wirklich unerträglich, feixte John im stillen, während er sein Guinness schlürfte und sich wieder auf den Film konzentrierte.
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Popov nahm sich vor, die Augen offenzuhalten. Er war wieder in London, hatte ein Zimmer in einem Mittelklassehotel gefunden, das sich auf mehrere zusammenhängende und frisch renovierte Reihenhäuser verteilte. Dieser Anschlag war eine Novität, er wollte ihn aus nächster Nähe beobachten. Sie hatten einen wohldurchdachten Plan, ursprünglich ein Vorschlag von Bill Henriksen, den Grady mit Begeisterung aufgenommen und zu einem taktischen Plan ausgearbeitet hatte. Wenn sie ihn zu Ende bringen und rechtzeitig abhauen könnten, wäre er perfekt. In jedem Fall wollte Dmitrij möglichst nahe am Geschehen sein. Desto früher wüßte er, wann er die Bank anrufen und das Geld seinem eigenen Konto einverleiben durfte, und dann... würde er verschwinden, wann immer er wollte. Die Idee, daß es mindetens zwei Leute sein mußten, die Zugang zum Konto hatten, war Grady gar nicht gekommen. Sean war gewiß eine treue Seele, dachte Popov, so merkwürdig sich das anhörte. Er hatte den Auftrag seines ehemaligen KGB-Freundes bereitwillig angenommen, und obwohl er ihn zwei Prüfungen unterzog - mit dem Geld und dem Kokain - stand er jetzt, wo Popov ihm beides übergeben hatte, zu seinem Wort und führte den Anschlag aus. Das war bemerkenswert, wenn Popov es recht bedachte. Er würde sich in den gemieteten Jaguar setzen und zum Ort des Geschehens hinfahren. Es dürfte nicht allzu schwer sein, auch nicht sonderlich gefährlich, wenn er sich ruhig verhielt. Mit diesem Gedanken kippte er seinen letzten Stolitschnaja an diesem Abend und knipste das Licht aus.
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Sie wachten ungefähr gleichzeitig auf an diesem Morgen - Domingo und Patricia in ihrem Haus, John und Sandra in einem anderen. Gegen halb sechs, als der Wecker schellte, schlugen sie die Augen auf und durchliefen die Routine, mit der sie den Tag zu beginnen pflegten. Die Ehefrauen mußten für die Sieben-bis-drei-Uhr-Schicht gegen viertel vor sieben in der Ambulanz sein, weshalb in beiden Häusern die Damen als erste ins Bad gingen, während die Männer Wasser in die Kaffeemaschinen füllten, die Morgenzeitung hereinholten und die Radio die BBC-Morgennachrichten hörten. Zwanzig Minuten später tauschten sie die Zeitungen gegen eine Morgendusche, und kurz darauf setzten sich beide Paare zum Frühstück. In Domingos Fall erforderte das nicht mehr als eine zweite Tasse Kaffee, da er nach dem Langlauf mit seinen Männern zu frühstücken pflegte. Bei den Clarks experimentierte Sandy mit gegrillten Tomaten, einer Delikatesse des Landes, die sie gerade zubereiten lernte, auch wenn ihr Gatte sie unter Berufung auf die Grundsatzartikel der amerikanischen Verfassung ablehnte. Gegen 6.20 Uhr wurde es Zeit für die Frauen, sich in die jeweilige Dienstkluft zu werfen; das gleiche galt für die Männer, und wenig später verließen alle ihre Häuser, um ihren Arbeitstag zu beginnen.
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Clark trainierte nicht mehr mit den Männern. Er war, wie er sich endlich eingestand, viel zu alt, um noch das gesamte Programm zu absolvieren; aber er tauchte ab und zu auf dem Sportplatz auf und machte ungefähr die gleichen Übungen. Sehr viel anders als in seiner Zeit als SEAL war es nicht, allerdings ließ er das ausdauernde Schwimmen bleiben; zwar gab es hier einen Swimmingpool, doch der war für seinen Geschmack nicht groß genug. Statt dessen rannte er seine fünf Kilometer. Die Teams liefen jetzt zwölf - und, wie er zugeben mußte, viel schneller als er. Für einen Mann in den besten Jahren war John Clark in exzellenter körperlicher Verfassung, aber es fiel ihm jeden Tag schwerer, sie zu halten, und der nächste Meilenstein auf dem persönlichen Weg ins Grab trug die Altersangabe sechzig. Es kam ihm seltsam vor, daß er nicht mehr der junge Springinsfeld war wie damals, als er Sandy heiratete. Ihm war, als hätte ihm jemand das Beste gestohlen und er hätte nichts davon gemerkt. Eines Tages hatte er sich umgeschaut und festgestellt, daß er ganz anders war, als er es sich vorgestellt hatte. Keine angenehme Überraschung, sagte er sich, als er die fünf Kilometer hinter sich hatte, keuchend, mit schmerzenden Füßen und dem Bedürfnis nach einer zweiten Morgendusche.
Auf dem Weg ins Hauptquartier traf er Alistair Stanley, der ebenfalls zum Frühsport aufbrach. Al war fünf Jahre jünger als er und machte sich vermutlich noch Illusionen über
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