10 - Operation Rainbow
verbrachten den größten Teil des Tages bei Oberstleutnant Wilkersons Leuten, hauptsächlich in der Kommandozentrale, wo sie die Spiele im Fernsehen verfolgten, begaben sich aber auch zu den Schauplätzen selbst - angeblich, um einmal nach dem Rechten zu sehen, in Wahrheit, um den Sportereignissen aus nächster Nähe beizuwohnen. Mit ihren überall gültigen Passierscheinen konnten sie oft direkt neben den Schiedrichtern stehen. Die Aussies waren leidenschaftliche Sportfans, wie Ding feststellte, und unerhört gastfreundlich. In seinen freien Stunden hatte er sich ganz in der Nähe eine Kneipe ausgeguckt, wo das Bier schmeckte und die Atmosphäre zum Verweilen einlud. Wenn er sich als Amerikaner vorstellte, gaben ihm die »Kumpels« nicht selten ein Bier aus und fragten ihm Löcher in den Bauch, während im Fernseher an der Wand die Sportübertragung lief. Der allgegenwärtige Zigarettenqualm war so ziemlich das einzige, was ihm gegen den Strich ging; hier in Australien war das Laster offenbar noch nicht geächtet wie anderswo; doch perfekt war es nirgends.
Jeden Morgen trainierten er und seine Männer mit Wilkersons Team und stellten fest, daß es bei diesen olympischen Disziplinen nur minimale Unterschiede zwischen australischen und britisch-amerikanischen Eliteeinheiten gab. Eines Morgens begaben sie sich zu den Schießständen, wo sie sich olympische Sportpistolen ausborgten - .22er-Kaliber-Automatikwaffen, die wie Spielzeug wirkten, verglichen mit den von Rainbow-Kämpfern normalerweise mitgeschleppten .45ern. Aber sie mußten feststellen, daß Zielscheiben und Punktsystem äußerst kompliziert und mit dem Kampfschießen im Alltag kaum vergleichbar waren. Trotz aller Routine und praktischen Erfahrung hätte sich Chavez mit viel Glück gerade mal mit den Olympiaschützen der Mannschaft von Mali messen können, keinesfalls aber mit Amerikanern oder Russen. Deren Sportler konnten bei den computergesteuerten, frontal oder seitlich defilierenden Zielsilhouetten eine geradezu übermenschliche Trefferquote vorweisen. Doch solche Pappkameraden schössen nicht zurück, konnte Chavez sich sagen, und das war immerhin ein Unterschied. Außerdem wurde der Erfolg bei seinen Schießkünsten daran gemessen, ob er einen Gegner aus Fleisch und Blut tötete, nicht ob er ein millimetergroßes Pünktchen auf der schwarzen Zielscheibe traf. Auch das war ein Unterschied, wie Ding und Mike und ihre australischen Kollegen feststellten. Was sie vermochten, würde niemals olympische Disziplin sein, es sei denn, man ließe die Gladiatorenspiele des alten Rom wiedererstehen, womit nicht zu rechnen war. Ihr Beruf hatte sowieso nichts mit Sport zu tun, oder? Es war ja schließlich kein Massenspektakel der modernen, zivilisierten Welt. Chavez träumte seit jeher davon, einmal die Schaukämpfe in den Amphitheatern des alten Rom zu sehen - aber das hätte er niemals laut zugegeben, sonst hätten man ihn wohl für einen barbarischen Primitivling gehalten! Heil Cäsar - die Todgeweihten grüßen dich! Mit den Boxweltmeisterschaften ließ sich das wohl nicht vergleichen. Jedenfalls freute sich >Major< Domingo Chavez, daß er bei der Olympiade freien Eintritt genoß, ebenso wie die Sergeants Mike Pierce, Homer Johnston und George Tomlinson sowie Special Agent Tim Noonan, die meist in »Zivil« antraten, um die Anonymität zu wahren.
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Dasselbe traf, wenn auch in weiter Ferne, auf Dmitrij Popov zu, der in seinem Zimmer blieb und sich die Olympiade im Fernsehen anschaute. Die Spiele lenkten ihn ein wenig ab von den Fragen, die ihm durch den Kopf schwirrten. Er freute sich an den beachtlichen Leistungen des russischen Teams, zu dem er natürlich hielt, aber auch die Australier machten als Gastgeber keine schlechte Figur, vor allem beim Schwimmen, was ihr Nationalsport zu sein schien. Hauptproblem waren die immensen Zeitunterschiede. Nur zu nachtschlafender Zeit bekam Popov in Kansas die Wettkämpfe live zu sehen, weshalb er sich morgens schwer übernächtigt und mit Ringen unter den Augen zu MacLean und Killgore gesellte. Doch die Ausflüge zu Pferd waren sein angenehmster Zeitvertreib geworden. Buttermilk erkannte ihn jetzt schon von weitem und begrüßte den Russen mit freundlichem Wiehern, was dieser jedesmal mit einem Mitbringsel belohnte, Zuckerstückchen vom Frühstücksbuffet beispielsweise, oder heute ein Apfel. Die Stute verschlang ihn rasch aus seiner hingestreckten Hand, bevor er sie am Zügel nahm und in die Koppel
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