10 - Operation Rainbow
verschwenden.
Seine Ehe war so ungefähr das einzige in seinem Leben, womit er gescheitert war. Carol Brightling war ihm zwar gewachsen, aber eher auf politischem denn auf wissenschaftlichem Sektor. Vielleicht hatte ihr nicht geringes Selbstbewußtsein darunter gelitten, daß ihr Mann die größeren Geistesgaben mit sich brachte. In dieser Stadt war für beide kein Platz - der Mediziner aus Wyoming mußte schadenfroh grinsen. Sowas gab es ja nicht bloß im Kino, sondern oft genug im wirklichen Leben. Jetzt saß neben dem Erstgenannten eine berückend schöne Rothaarige, die ihm an den Lippen hing, während Carol allein gekommen war und auch allein wieder heimkehren würde in ihr Georgetown-Apartment. Tja, dachte der Senator-Hausarzt, so kann's gehen im Leben.
Unsterblichkeit. Verdammt, da würde auch er nochmal seine Chance kriegen, dachte der Mediziner und gesellte sich zu seiner Frau. Gleich würde man das Essen servieren.
***
Valium half. Es war natürlich kein Valium, wie Killgore wußte. Dieses Medikament galt gewissermaßen stellvertretend für zahlreiche mildere Beruhigungsmittel, und dieses hier war unter anderem Markennamen von SmithKline entwickelt worden, mit dem zusätzlichen Vorteil, daß es sich mit Alkohol besser vertrug. Obdachlose waren normalerweise wie Hofhunde, sie hingen an ihrem Revier und verteidigten es, doch diese hier verhielten sich erstaunlich ruhig. Große Mengen an gutem Schnaps hatten ihre Wirkung getan. Hochklassige Bourbons kamen am besten an, aus billigen Partygläsern mit Eis serviert, verschiedene Zusätze für diejenigen, die Whisky nicht gern pur tranken - das waren aber die wenigsten, wie Killgore überrascht feststellte.
Die ärztliche Musterung hatten sie überstanden. Gesundheitlich waren sie alle angeschlagen, auch wenn sie nach außen hin relativ kräftig wirkten. Doch innerlich litten sie an allen möglichen Wehwehchen, von simpler Diabetes bis zum Leberschaden. Einen hatte zweifellos der Prostatakrebs erwischt, seine Werte überstiegen sämtliche Toleranzschwellen - aber für diesen speziellen Test war das unwichtig. Ein anderer war HIV-positiv, aber Symptome waren noch nicht sichtbar, so daß es ebenfalls nicht zählte. Geholt hatte er es sich mutmaßlich durch Drogenmißbrauch, doch merkwürdigerweise war Schnaps alles, was er brauchte, um sich hier wohlzufühlen.
Killgore war nicht gern dabei; es beunruhigte sein Gewissen ein wenig, sie aus der Nähe zu betrachten. Aber schließlich waren sie seine Versuchsratten, von ihm wurde erwartet, sie im Auge zu behalten - wie jetzt, wo er hinter der Spiegelglaswand stand, seinen Papierkram erledigte und Bach-Sonaten vom tragbaren CD-Spie ler lauschte. Drei von ihnen waren angeblich Vietnam-Veteranen. Sie hatten also eine Anzahl Asiaten abgeknallt - »Schlitzis«, wie sie sich bei der Befragung ausdrückten -, bevor sie auf die schiefe Bahn gerieten und als Stadtstreicher endeten. Na schön, Wohnungslose war der Modebegriff, den die Gesellschaft für sie bereithielt, was irgendwie würdiger klang als »Pennbruder« - Killgore erinnerte sich vage, diesen Begriff noch von seiner Mutter gehört zu haben. Als Mitmenschen zählten sie jedenfalls nicht gerade zur ersten Wahl. Und doch hatte das Projekt schon positiven Einfluß auf sie genommen. Inzwischen duschten sie regelmäßig, zogen saubere Kleider an und guckten fern. Einige fingen sogar an, Bücher zu lesen - daß ihnen Lektüre bereitgestellt wurde, und sei sie noch so billig, hatte Killgore anfangs für übertriebene, alberne Zeit- und Geldverschwendung erachtet. Doch immer noch tranken sie, und die Sauferei beschränkte ihren Tagesrhythmus auf vielleicht sechs Stunden bewußten Erlebens pro Tag. Auch Valium trug dazu bei, sie ruhigzustellen, und verhinderte Zank und Streit, den die Wärter sonst unterbinden müßten. Zwei von ihnen waren ständig nebenan in Bereitschaft, auch sie überwachten die Zehnergruppe. An der Zimmerdecke versteckte Mikrophone erlaubten, das zusammenhanglose Geschwafel mitzuhören. Einer aus der Gruppe hielt sich für einen Fachmann für Baseball und erzählte jedem von Mantle und Maris, der zuhören wollte. Die überwiegende Mehrheit redete von Sex, so daß sich Killgore schon fragte, ob sie wirklich das Hundefänger-Team entsenden sollten, um für das Experiment ein paar weibliche »Wohnungslose« aufzugreifen. Davon mußte er Barb Archer berichten. Schließlich würde sie wissen, ob das Geschlecht auf ihr Experiment irgendwelchen
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