10 - Operation Rainbow
schallgedämpften Kanonen, in fünf Minuten alles erledigt. Die Schweiz verfügte offenbar über eine guttrainierte Anti-Terror-Einheit. Das war eigentlich zu erwarten, auch wenn er zum erstenmal davon hörte. Minuten später glitt ein Typ ins Bild, der sich ein Pfeifchen ansteckte. Wer immer es war - vielleicht der Einsatzleiter -, er hatte keinen Stil, dachte Henriksen und sah nach dem Tachostand seines Heimtrainers. Die Mannschaft trug übliche Schutzkleidung, rabenschwarze Pullis mit Kevlar-Panzerhemden. Uniformierte Polizei holte, als alles vorbei war, die Geiseln heraus. Eine musterhafte, saubere Leistung, was dafür sprach, daß die Bankräuber (oder waren es Terroristen? Die Nachrichtensprecher drückten sich um die Frage herum, ob ein politisches Motiv dahintersteckte) keine besonders raffinierten Burschen waren. Warum sollten sie auch? Beim nächsten Mal mußten sie sich besser vorbereiten, wenn der Anschlag gelingen sollte. In ein paar Minuten würde garantiert jemand anrufen und ihn zum Kurzinterview bestellen. Nervtötend, aber das war nicht zu vermeiden.
Natürlich klingelte das Telefon, als er unter der Dusche war. Gut, daß er einen Apparat neben der Badezimmertür installiert hatte.
»Ja bitte?«
»Mr. Henriksen?«
»Wer ist denn dran?« Die Stimme kam ihm nicht bekannt vor.
»Bob Smith von Fox News, New York. Haben Sie schon die Berichte über den Zwischenfall in Bern gesehen?«
»Ja, übrigens eben erst auf Ihrem Sender!«
»Könnten Sie wohl vorbeikommen und uns einen kleinen Kommentar sprechen?«
»Um welche Zeit?« fragte Henriksen und wußte schon, daß die Prime Time gemeint war, und was er antworten würde.
»Kurz nach acht, wenn möglich.«
Er sah sogar nach der Uhr, eine eintrainierte, überflüssige Geste, die aber niemand sehen konnte. »Durchaus möglich. Wieviel Zeit bekomme ich?«
»Rund vier Minuten.«
»Gut, ich bin in einer Stunde bei Ihnen.«
»Danke, Sir. Ich sage am Empfang unten Bescheid.«
»Alles klar. Bis dann!« Der Junge mußte neu sein, dachte Henriksen. Offenbar wußte er nicht, wie regelmäßig er bei Fox auf dem Sender war. Sie hatten doch seinen Namen in der Kartei, und die Sicherheitsbeamten kannten ihn persönlich. Ein Täßchen Kaffee und ein Milchbrötchen, dann machte er sich auf den Weg über die George-Washington-Brücke nach Manhattan, in seinem 911er Porsche.
***
Dr. Carol Brightling erwachte, strich Jiggs übers Fell und schleppte sich schlaftrunken unter die Dusche. Zehn Minuten später trug sie nur ein Handtuch auf dem Kopf und holte die Morgenzeitung herein. Die Kaffeemaschine hatte ihr schon zwei Tassen Folger's Mountain-Grove zubereitet, und im Eisschrank stand die Plastikschüssel mit Melonenstückchen bereit. Als nächstes schaltete sie das Radio ein, wo das Morgenecho lief - erst die Nachrichten, dann dudelte der Apparat meist einfach weiter. Ihre Arbeit für das Weiße Haus bestand vorwiegend darin, Berichte zu lesen. Heute mußte sie allerdings mit diesem Betonkopf vom Energieministerium konferieren, der es noch immer für vordringlich hielt, neue Wasserstoffbomben zu bauen. Sie würde dem Präsidenten davon abraten, und der würde ihr Gutachten vermutlich ignorieren, ohne sich direkt darüber zu äußern.
Warum zum Teufel hatte er sie in die Regierung geholt? fragte sich Carol. Die Antwort war einfach und lag auf der Hand: Politik. Dieser Präsident hatte sich in den anderthalb Jahren, seit er im Amt war, aus Konflikten so weit wie möglich herausgehalten. Und sie hatte als Frau einen schweren Stand, während alle Insider männlich waren; die Presse hatte sich darüber mokiert und das Thema immer wieder aufgekocht, was nach altem Brauch auch funktionierte. Ihre Ernennung war folgerichtig, und sie hatte angenommen, mitsamt dem Büro in einem älteren Regierungsbau untergebracht zu werden anstatt im Weißen Haus selbst. Was die Politik in Washington betraf, so hatte sie manches abschreiben müssen, mehr als der Präsident zu lernen imstande war. Es war erstaunlich, wenn sie darüber nachdachte, obwohl dieser Präsident rasch lernte, wenn er auch - zumindest nach ihrer Erfahrung - nicht gut zuhören konnte.
Die Presse ließ ihm das durchgehen. Daraus entnahm sie, daß auf Medienvertreter kein Verlaß war. Da sie keine eigenen Standpunkte vertraten, nur Sprachrohr der öffentlichen Meinung waren, mußte sie sich selbst ins Gespräch bringen, hinter den Kulissen und mehr beiläufig zu verschiedenen Reportern. Ein paar von ihnen
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