100 - Des Teufels Samurai
ihn in einem Gebüsch.
Dann machte er sich auf den Weg zurück zur Gruft, um die anderen fünf Körper zu holen.
Doch dann übermannte ihn die Neugierde und die Sorge um Tomoe. Sie vor dem Schwarzen Samurai zu retten, erschien ihm nun wichtiger, als den Rokuro-Kubi die Körper zu stehlen.
Also begab er sich zum Haus. Er hatte es fast schon erreicht, als er links von sich ein Schnauben und Scharren vernahm. Er zückte sein Langschwert, ließ es aber sogleich wieder sinken, als er den Schatten eines Pferdes entdeckte. Es war das Reittier des Samurai.
Hoichi trat zu ihm - und seltsam, das Pferd rieb seinen Kopf an seiner Schulter. Hoichi konnte es nicht fassen, daß das Tier dieses Teufels solches Zutrauen zu ihm faßte. Er besah es sich im Mondlicht genauer - und erkannte Dojikage, das beste Streitroß seines Vaters. Tomotada hatte es bei seiner Flucht ebenso entwendet wie das Familienschwert Tomokirimaru.
Am Tage hatte sich Dojikage wie ein Teufel gebärdet, so daß Hoichi es nicht erkennen konnte. Und in der Nacht war es zutraulich wie ein Freund.
Hoichis Haß auf den Schwarzen Samurai verstärkte sich noch. Er tätschelte Dojikage die zitternde Flanke, nahm sein Schwert in beide Hände und ging entschlossen auf das Haus zu.
Er schob den Eingang auf. Der Gang dahinter lag im Schein der Laternen des Innenhofes. Denn die Tür, die zum Hof führte, stand offen.
Das Schwert in der traditionellen Weise vor sich haltend, schritt er auf den Eingang des Gartens zu. Er vernahm gedämpfte Stimmen. Die tiefe Stimme des hünenhaften Samurai mit der Maske und die zarte Stimme Tomoes. Sie sagte nur ein Wort.
Bevor er das geliebte Mädchen und den verhaßten Samurai sehen konnte, erblickte er Aruji und sein Weib. Sie knieten beide am Rande des Zierteiches. Ihre Gesichter waren starr und von namenlosem Entsetzen gezeichnet. Sie ahnten die kommenden Schrecken, doch waren sie nicht stark genug, sich gegen sie aufzulehnen.
„Aus Dank für Eure Gastfreundschaft will ich der schönsten Blume im ganzen Land ein Geschenk überlassen", sagte der Schwarze Samurai.
Hoichi war schon so nahe der Tür, daß der Samurai und Tomoe in seinem Blickfeld waren. Aber der Gang lag im Dunkeln, und er selbst konnte aus dem Garten nicht gesehen werden.
„Was könnte die Ehrlichkeit meiner Worte besser bezeugen als ein Schmetterling, der nur der schönsten aller Blüten zustrebt."
Und auf einmal flatterte auf dem ausgestreckten Zeigefinger des Schwarzen Samurai ein großer bunter Schmetterling. Er krümmte den Finger, und der Schmetterling flog auf und tänzelte um Tomoes maskenhaftes Gesicht. Endlich ließ er sich auf ihre Nase nieder.
Hoichi hielt den Atem an. Was würde geschehen?
Er sah, daß der Schmetterling seinen Leib krümmte, als er mit seinen Mundwerkzeugen nach Tomoes Nase schnappte. Tomoe gab keinen Laut von sich…
Plötzlich begann der Schmetterling unruhig mit den Flügeln zu schlagen. Er erhob sich wieder in die Luft, verlor das Gleichgewicht und stürzte ab. Sein Körper zuckte dabei wie unter Schlägen, seine Flügel aber waren erlahmt. So fiel er in den Zierteich, wo er, einem welkenden Herbstblatt gleich, auf dem Wasser trieb.
Der Schwarze Samurai sprang mit einem Wutschrei hoch und zückte eines seiner beiden Langschwerter. Es war das Tomokirimaru. Hoichi konnte den Blick nicht von der Klinge losreißen, in der sich das Licht der Laternen spiegelte. Das Eisen glitzerte und funkelte wie Tau auf der Lotosblüte.
„Ihr wagt es, mich zu hintergehen!" rief der Schwarze Samurai mit donnernder Stimme. „Ihr Elenden habt die Stirn, euch gegen den Kokuo von Tokoyo aufzulehnen, der eure nichtswürdige Tochter durch den Schmetterlingsbiß zu seiner Braut machen wollte. Dieses Vergehen kann nur mit dem Tod gesühnt werden."
„Erbarmen! Erbarmen!" rief Kocho, die Mutter Tomoes, und fiel dem Samurai vor die Füße. Und so blieb sie liegen, ohne sich noch einmal zu erheben.
Tomoe verließen die Kräfte, und sie brach bewußtlos zusammen. Hoichi sprang gerade noch hinzu, um sie aufzufangen.
„Tomotada!" schrie Hoichi außer sich. „Vergreife dich nicht noch einmal an Wehrlosen, wenn du nicht ein Feigling genannt werden willst! Hier bin ich, Hoichi, dein Milchbruder. Ich bin gekommen, um die Ehre meiner Familie wiederherzustellen. Kämpfe mit mir!"
Der Schwarze Samurai spreizte die Beine, drehte den Oberkörper in Hoichis Richtung, richtete die Schneide des Tomokirimaru auf ihn und holte mit der freien Hand gleichzeitig
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