100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
weiteren Stück rohen Fischs schnell. Der Koch hat mich darüber aufgeklärt, dass dieses typische Wasabi-Aroma innerhalb von einem Viertelstündchen verfliegt. Und natürlich hatte er mich vor schmerzhaften Überdosierungen gewarnt – die aber kannte ich schon durch die Surrogate.
Seit diesem Essen blicke ich sehnsüchtig in jeden Asia-Laden, um zu schauen, ob es dort gerade frischen Wasabi gibt. Dann müsste ich nur noch die kleine Haifischhautreibe auftreiben.
Zampone
Dass sich unsere italienischen Nachbarn mit Füßen auskennen, das weiß man auf der ganzen Welt. Mein Schuhschrank ist der Beweis dafür. Niemand macht so formschöne und gleichzeitig bequeme Schuhe wie die Leute, die in einem Land wohnen, das die Form eines Stiefels aufweist. (Allein die geniale Erfindung der Tod’s-Mokassins mit ihren 133 Gumminoppen, die jeden Träger federnden Fußes über den Boden schweben lassen, ist genial und zeigt die Fuß-Affinität der Italiener!) Aber dass sie auch noch aus einem Schweinefuß eine Delikatesse machen können, das blieb mir lange Zeit verborgen.
Während wir in unseren Breitengraden Haxenbratereien haben und nach den krossen Krusten des Borstentiers gieren, geben sich die Bewohner der Emilia Romagna nicht mit solch simplen Genüssen ab. Sie haben einen gefüllten Schweinefuß kreiert, der zu Weihnachten und Silvester bei allen ihren Landsleuten zum guten Küchenton gehört wie bei uns die Weihnachtsgans oder der Karpfen. Aber auch im Bollito misto darf der Zampone – der »große Fuß« – nicht fehlen. Ich hab nur einmal davon probiert und war mehr als angetan. Aber das Geheimnis dieser italienischen Schweinefuß-Spezialanfertigung habe ich noch nicht ergründet.
Im Bürokratendeutsch der »Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 vom 14. Juli 1992«, Antrag auf Eintragung gemäß Artikel 17, ist Zampone ein »Fleischerzeugnis, bestehend aus einer Mischung von Schweinefleisch aus der quergestreiften Muskulatur, Schweinefett, Schwarte und verschiedenen Gewürzen, die in natürliche Umhüllungen, nämlich die Außenhaut des vollständigen Vorderfußes des Schweins (mit den Zehenknochen) gefüllt wird; das obere Ende wird verschlossen. Das Erzeugnis muss leicht aufschneidbar sein. Beim Anschnitt weist die Scheibe rötliche bis rote uneinheitliche Färbung auf, sie ist kompakt und besitzt einheitliche Körnung.« (Jetzt fehlt nur noch das Wörtchen »Textur«, und wir fühlen uns wie im Feuilleton einer bekannten deutschen Zeitung.) Eingetragen wurde die Zampone als »geprüfte geografische Angabe«, eine europäische »Auszeichnung«, die jedoch über die Wurstqualität in diesem Fall rein gar nichts aussagt.
Fragen wir uns doch lieber zuerst, warum jemand Wurst in Schweinsfüße füllt: Im Winter 1511 wurden Mirandola und das nahe Modena von den Truppen Papst Julius’ II. belagert. Falls Sie einmal Opfer einer Belagerung werden, was heute ja Gott sei Dank seltener vorkommt, müssen Sie wissen, dass richtige Vorratshaltung sehr wichtig ist, um selbige durchzustehen. In Mirandola jedenfalls wurde die Schlachtung der Schweine befohlen, um zu verhindern, dass die kostbaren Fleischlieferanten den Feinden in die Hände fielen bzw. deren Mägen füllten. Doch worin sollte man all das Fleisch aufbewahren? So wurde das Schwein selbst zum Behältnis, in dem man auch die Vorderbeine der Schlachttiere füllte. Später, als die Gefahr vorbei war, fand die neue Spezialität bald auch viele Freunde außerhalb von Strategen und Militärs.
Ein großer Zampone-Freund war beispielsweise der Komponist Gioacchino Rossini (1792–1868), was an sich schon ein Gütesiegel ist. Dessen Wissen um die kulinarischen Künste wurde höchstens noch von seinen nachweislich exzellenten Kenntnissen über die richtigen Noten übertroffen. Obwohl das Ansichtssache ist. »Wenn er so viel von Musik versteht wie von Makkaroni, dann muss er sehr gute Sachen schreiben.« Dieser Spruch eines Pasta-Händlers wurde in Rossini-Biografien verewigt, der Komponist selbst schrieb ausführlich und gern über das Essen. Er sandte dem Metzger Bellantini in Modena folgende Bestellung: »… ich möchte sechs capelli da prete (Priesterhüte, eine Wurstspezialität mit zampone-ähnlicher Füllung, eingenäht in einen Dreispitz), ähnlich denen, die du mir nach Florenz geschickt hast. Vier Pfoten und vier Würstchen, alles von der besten Qualität«. Wohl »um Missverständnisse zu vermeiden« legte Rossini angeblich eine Risszeichnung eines Zampone bei.
Es war
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