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100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

Titel: 100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Schoenberger , Joerg Zipprick
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sich?
    Die kleinen, schwarzen Linsen mag ich auch sehr gern. Aber muss man sie unbedingt unter dem Namen einer Kaviarsorte vermarkten? Ist demnächst mit Konkurrenz durch Sevruga- und Oscietra-Linsen zu rechnen? Es gibt viele weitere, schöne Linsensorten: Die »blonde Linse aus Saint Flour« ist die dickste. Aus der französischen Champagne kommt eine »Rosa Linse« – ich rechne es den Produzenten hoch an, dass sie sie nicht permanent als »Champagnerlinse« vermarkten. (Vielleicht haben die auch nur Ärger mit dem streitbaren Champagnerverband bekommen, der schon ein Parfum namens »Champagne« verbieten ließ.) Rote oder gelbe Linsen kommen aus Asien, die kleinen Runden aus Le Puy sind erdgrün. Die »Lens esculenta puyensis«, die grüne Le Puy Linse, ist mir schon deshalb sympathisch, weil sie aus ihrer Herkunft kein Geheimnis macht. Sie stammt aus Puy-en-Velay in der Auvergne. Eine arme, ländliche Region mit rustikaler Küche, Heimat des Aubrac-Rinds, des Chateldon-Mineralwassers, das für Ludwig XIV. in Eselskarren nach Versailles transportiert wurde, sowie diverser Würste und duftiger Käse. »Kaviar der Armen« heißt die Hülsenfrucht dort, was ja wieder einen gewissen Bezug zum Beluga bietet. Vor Jahrzehnten wurde dieser Kaviar der Armen noch in Lokalen wie der (inzwischen verschwundenen) »Grande Brasserie du Velay« in günstigen Gerichten wie »gekochte Würfel von der Schweineschnauze mit Linsen« aufgetischt – inzwischen gehören solche Rustikalitäten leider auf die Liste der aussterbenden Köstlichkeiten.
    Die Linsen wachsen in 600 bis 1 200 Meter Höhe und profitieren vom lokalen Mikroklima. Im Winter wird es hier sehr kalt und im Sommer angenehm warm, was das Linsenwachstum fördert. Gesät wird die Sorte »Anicia« von März bis April, wenn die Bodentemperatur gerade mal 5° beträgt. Traditionell säen viele Bauern noch in der Woche vor Vollmond, weil Letzterer, laut Volksglaube, das Pflanzenwachstum beschleunigt. Verzichtet wird hingegen auf Dünger und jede Form der Bewässerung. Das Resultat ist eine Linse, die fast nie mehlig ausfällt und über vollen, erdigen Linsengeschmack verfügt.
    Auch dafür wurde die Linse 1996 mit einem AOC-Gütesiegel (appellation d’origine controlée – kontrollierte Erzeugerherstellung) ausgezeichnet. Wegen ihres Nährstoffgehalts wird sie übrigens vom lokalen Bauernverband auch als »Vegetal-Beefsteak« vermarktet. Und weil französische Bauernverbände in Sachen Eigenwerbung sehr einfallsreich sind, hatte der Astronaut Jean-Francois Clervoy zur Jahrtausendwende seinen Kollegen auf der Raumfähre Discovery ein ganz besonderes Menü mitgebracht: Nach Foie Gras-Terrine gab es Pökelfleisch (Petit salé, kleines Gesalzenes) mit Linsen aus Le Puy. Das gehört, zusammen mit Linsensalaten, Linsensuppen und Süßwasserfischen auf Linsenbetten, zu den bekanntesten Gerichten der Region. So ein Petit salé besteht aus Schweinsbrust, -rippchen und Speck. Die Linsen werden blanchiert, während im Nachbartopf schon Karottenwürfel, gehackte Zwiebel und Speck in Gänsefett schmurgeln. Dann kommen die Linsen zu den Karotten ins Gänsefett. Sie werden – ohne das Fleisch – noch mal gut 20 Minuten in Geflügel- oder Rinderbouillon gegart. So war sie, die authentische Bauernküche aus der Zeit, als Familien noch eine ordentliche Bouillon herstellen konnten und es noch gegen die Ehre prominenter Köche ging, Fertigprodukte mit Geschmacksverstärkern zu bewerben. Manchmal wäre es mir lieber, die Herren der Herde würden wieder kochen, statt im Fernsehen und in der Werbung zu Dressmen und Kochschauspielern zu mutieren. Dann gäbe es vielleicht auch wieder anständige Linsengerichte.

Mango
    Was für eine herrliche Frucht – auch wenn sie meistens von weither kommt und den Klimaschützern deshalb wahrscheinlich ein Dorn im Auge ist. Ich kenne nur südamerikanische Sorten, die ein sagenhaftes Gelb aufweisen, das wirkt, als sei barocker Samt in Fruchtfleisch umgewandelt worden. Und erst diese sanfte, unaufdringliche Süße mit einem Aroma, das nicht auftrumpft und seine Eigentümlichkeit bescheiden zurücknimmt – die Mango ist unter allem exotischen Obst eine edle Königin.
    Dabei ist es in unseren Breitengraden nicht ganz einfach, eine wirklich auf den Punkt gereifte Frucht zu bekommen. Aber wenn es gelungen ist – schwarze Flecken auf der Außenhaut sind ein Zeichen dafür, dass man Glück hat –, kann man sich auf einen besonderen Genuss freuen. Aus

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