100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Geschichten von Indianervölkern, die mit dem Kanu an den Reis heranpaddeln, leicht auf die Pflanze klopfen und von der Natur immer nur so viel nehmen, wie gerade ins Kanu fällt. Solche Erzählungen hat sich die Lebensmittelindustrie zu Dutzenden zu Eigen gemacht, um Pro dukte teils dubioser Herkunft zu rühmen und ihnen eine romantische Aura zu verpassen. Diese aber stimmt, wie es aussieht: Im Bundesstaat Wisconsin etwa können Privatleute für 8,25 $ eine »wild rice harvesting license« erwerben – ein ähnliches Prinzip wie unsere Selbsternte-Erdbeerfelder – und die Felder mit einem maximal 17 Fuß (5,18 m) langen und 38 inches (96 cm)breiten, mit Muskelkraft betriebenen Kanu befahren. Das alles ist gesetzlich penibel geregelt. Mit einem Stab werden die Pflanzen in Richtung des Bootes gezogen. Sobald die Pflanze sich wieder aufrichtet, fallen einige Samen auch ins Wasser – die Grundlage für die nächsten Reisernten. Spezialisten vom Indianerstamm der Chippewa bestimmen, wann der Reis erntereif ist. Solcher Reis kommt zuweilen auch als »hand picked« in den Handel.
Inzwischen wird Zizania palustris in Kalifornien, Minnesota, Saskatchewan und auch in Australien angebaut. Während die amerikanischen Farmer schon in den 1950er Jahren auf den Geschmack kamen, setzte er sich erst 1992 in Australien durch. Geerntet wird maschinell, mit propellerbetriebenen Gleitbooten. Die Ausbeute ist im Vergleich zum »echten Reis« gering und liegt je nach Region und Fähigkeiten des Gleitbootfahrers zwischen 100 und fast 600 »pounds per acre« (etwa 45 bis 270 kg pro 0,4 Hektar).
Der schwarzbraun schimmernde Reis gilt als besonders nährstoffreich. Mir schmeckte er nicht grasig, sondern leicht nussig. Ich finde, dass er besonders Fisch oder Scampi gut begleitet: Er ist schließlich weder aufdringlich noch fad im Aroma. Geschmeckt hat er mir auch im Salat vom geräucherten Schellfisch oder zusammen mit Mandeln als Begleiter einer geschmorten Schweinswange mit Kokosmilch und Colombo, einer Würzmischung von den Antillen, die ein wenig einem indischen Curry gleicht. Aber das ist, wie so vieles, letztlich Geschmackssache.
Rentier
Fast hätte ich schon einmal Rentierfleisch gegessen. Aber nur fast: Ich war von einem norwegischen Verlag nach Oslo eingeladen, um eines meiner Bücher zu promoten. Schon von der Hotelhalle war ich schwer beeindruckt: Da stand ein lebensgroßer aufgerichteter, natürlich ausgestopfter Bär, der so lebensecht wirkte, dass ich erwartete, gleich würde auch ein echtes Rentier um die Ecke biegen. Nach getaner Arbeit wurde ich nach meinen abendlichen Restaurantgelüsten gefragt, aber mein Wunsch, norwegische Spezialitäten kennenzulernen, verursachte große Verwirrung. Man begegnete diesem Begehr ganz offensichtlich mit Ausflüchten, bot mir stattdessen einen »Italiener« an – bei dem wir auch schließlich landeten, der aber ungarisch kochte –, offensichtlich in der Annahme, Rentierfleisch würde mir nicht schmecken. Dass man auf dieser Verweigerung beharrte, lag vielleicht daran, dass meine Gastgeber selber kein Rentierfleisch mochten. Und deshalb rätsle ich seit vielen Jahren, wie Rentier wohl schmeckt. Im Internet wird das Renfleisch unter »Exotikfleisch« angeboten, zusammen mit Antilope und Krokodil – aber so exotisch kann es doch gar nicht sein! Ein Tier, das aussieht wie ein etwas anders designter Hirsch, wird doch wohl auch so ähnlich schmecken, oder? Im Übrigen: Die Norweger sind mir nicht nur das Rentierfleisch schuldig geblieben. Ich habe auch in ganz Oslo keinen Norweger-Pullover gefunden, den ich als Mitbringsel versprochen hatte.
Immer wieder versuchen Importeure, kuriose Fleischsorten auf unsere Teller zu bringen: Letzte Weihnachten beispielsweise hätte ich die Wahl zwischen Zebra, Känguru und Alligator gehabt. Das Rentier jedoch gehört ganz klar nicht in diese Kategorie. Es landet seit jeher auf den Tellern, und zwar gar nicht so weit von uns entfernt, in Schweden und Finnland. Bei den Sami bzw. Samen, einem Volk im Norden Schwedens und Norwegens, gehört es traditionell zu den wichtigsten Nahrungsmitteln. Es gibt sogar ein Sami-Kochbuch in englischer Sprache: »How to cook a reindeer« von Laila Spik.
In Örebro, nördlich von Stockholm, habe ich mein erstes Rentierfleisch gekostet: Als Salami, als Ragout und als marinierten Braten. Es ist ein fettarmes Fleisch, das tatsächlich ein wenig wie Hirsch oder Reh schmeckt und entsprechend zubereitet werden kann.
Dazu gab es
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