100 Prozent Anders
fliege nicht gerne, ich habe lieber mit beiden Beinen Bodenhaftung. Aber mein Beruf wäre ohne häufige Flüge nicht realisierbar. Niemand mag es, wenn der Flieger in Turbulenzen gerät. Ich schon gleich gar nicht. Man sitzt in 11 000 Metern Höhe in einem 50 Meter langen Schlauch – und wenn dann was passiert, war’s das!
Ich kann allen, die wie ich unter Flugangst leiden, nur raten: Achten Sie auf das Kabinenpersonal. Solange dort normale Geschäftigkeit herrscht, ist alles in Ordnung. Unangenehm wird es nur dann, wenn der Pilot die Anweisung gibt: „Cabin crew, bitte sofort hinsetzen.“ In dieser Situation sollte man einfach an was Schönes denken und hoffen, dass die Wackelei schnell vorbei ist.
Angeblich hatten wir auf unserem Rückflug von Südafrika Turbulenzen. Das war möglich, aber sie können nicht gravierend gewesen sein, sonst wäre ich wach geworden. Denn über den Wolken bin ich wirklich empfindlich. Dieter erzählte mir bei der Landung, dass es ganz schön gewackelt habe. Gut, das passiert schon mal bei einem Zehn-Stunden-Flug über den afrikanischen Kontinent.
Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf von einem Journalisten der Bild-Zeitung. „Hallo, Thomas, sag mal, wie fühlt man sich denn so, wenn es mit einem fast zu Ende geht?“ – „Wie? Zu Ende geht?? Hab ich was verpasst? Will man mich wieder runterschreiben? Gibt es da etwas, das ich wissen sollte? Ich hab keine Ahnung, was du meinst. Ich fühl mich ziemlich lebendig“, antwortete ich. – „Na, Dieter rief mich an und sagte, dass ihr auf dem Weg von Kapstadt hierher fast abgestürzt wärt. Der Flieger sei mitten durch ein starkes Gewitter geflogen, es habe heftige Turbulenzen gegeben, die ihr beinahe nicht überlebt hättet.“
Ich war sprachlos. „Moment mal“, antwortete ich, „vielleicht war das ja ein anderes Flugzeug, ich jedenfalls weiß von nichts. Ich wäre mit solch einer Meldung auch vorsichtig, denn es gibt jederzeit Flugprotokolle, die bestätigen würden, dass nichts vorgefallen ist. Abgesehen davon, ein Gewitter in 11 000 Meter Höhe ist mehr als unwahrscheinlich. Fallwinde, okay, aber Gewitter?“ Pause. „Hm, du hast recht“, sagte der Journalist, „dann lassen wir die Meldung besser mal sein.“
Da war er wieder, der alte Dieter! Er wusste, dass sich keine Sau für einen stinknormalen Videodreh interessieren würde. Also dachte er sich eine Beinahe-Katastrophe aus, damit er mal wieder in der Zeitung stand. Nach dem Motto: Der Dreh an sich ist keine Meldung, aber wenn ich da was Spektakuläres reinbringe, reicht’s vielleicht für eine Schlagzeile auf Seite eins. „DIETER BOHLEN NACH VIDEODREH FAST ABGESTÜRZT.“ Oder: „DIETER BOHLEN: TODESANGST NACH VIDEODREH.“
Leider funktioniert unsere Medienlandschaft so, dass aus einem Furz ein Elefant gemacht werden muss. Informationen ohne Drama, Tod und Sex sind langweilig geworden. Dieter bedient diese Konträrfaszination bestens. Bei diesem Spiel mache ich aber nicht mit. Es kommt für mich nicht in Frage, irgendwelche Dinge zu erfinden, nur damit ich in den Zeitungen stehe: Nein, danke!
***
Naddel begleitete Dieter überall hin. Was nicht hieß, dass er nicht trotzdem seine Flirts mit anderen Frauen hatte. Nach einer Show oder einem TV-Auftritt erzählte Dieter Naddel oft und gern, dass er jetzt noch wichtige Businessgespräche mit der Plattenfirma oder einem Konzertveranstalter führen müsse. Tatsächlich aber traf er sich dann nicht nur einmal mit „Fans“ zum intensiven Austausch.
Ich weiß nicht, ob Naddel etwas ahnte und ob sie nur so tat, als wüsste sie nicht, wie ernst Dieter die Fanbetreuung nahm. Aber ganz ehrlich: Wusste sie wirklich nichts, war sie naiv. Wusste sie aber was und hielt die Klappe, war sie richtig naiv.
Ich glaube, Naddel liebte Dieter über alles. Sie hatte vermutlich Angst, plötzlich ohne ihn dazustehen. Für uns Außenstehende war diese Situation oft peinlich und nicht begreifbar. Naddel erzählte überall herum, dass ihr armer Dieter ja so viel mehr als der Thomas arbeiten müsse. Dabei verbrachte Dieter nicht alle Nächte nur im Tonstudio. Was Naddel so alles Arbeit nannte …
Eines Tages ergab sich eine komplett neue Konstellation. Ich bekam ja jedes Mal quasi live mit, wenn Dieter seine weiblichen Neuzugänge am Telefon beflirtete. Doch dieses Mal war es anders. Die Telefonate klangen irgendwie vertrauter, irgendwie intimer als sonst.
Wir hatten eine TV-Aufzeichnung in Paris, und ich wunderte mich schon, weshalb
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