100 Prozent Anders
allem auch mir, die Peinlichkeit einer Begegnung ersparen. Also drehte ich mich schnell um, schnappte mir meine Jacke, die Aktentasche, meinen Koffer und schlich auf Zehenspitzen raus auf den Hotelflur. Als ich unten in der Empfangshalle ankam, wurde ich von den Angestellten mit großen Augen angestarrt. „Herr Anders, gefällt Ihnen die Suite heute nicht?“, wurde ich gefragt. „Doch, doch“, gab ich zurück, „ich hätte nur gerne gewusst, wer mein Mitbewohner ist.“ Die komplette Empfangsriege erstarrte.
Nach der ersten Schrecksekunde hackte die Empfangsdame wie wild auf ihren Computer ein. „Oh, Herr Anders, es tut uns ganz schrecklich leid! Wir haben uns im Stockwerk geirrt. Ihre Suite ist die Nummer 707 und befindet sich im siebten Stock.“ Ich lächelte die arme Frau an und antwortete: „Schon verziehen. Aber wer bewohnt denn die Suite 607?“ „Na ja“, die Dame an der Rezeption reagierte zögerlich, „dort wohnt zur Zeit Adriana Karambeu, ein weltbekanntes Topmodel.“ Oh, dachte ich, einen kurzen Blick ins Bad hätte ich doch wagen sollen. Die junge Dame hätte ich sehr gerne nackt gesehen.
***
Ich liebe St. Petersburg. Eine Stadt mit traumhafter Kulisse, die schon zu Sowjetzeiten immer etwas westlicher war als die anderen russischen Städte. Moskau ist zwar das politische Machtzentrum. Dafür legt St. Petersburg großen Wert darauf, Russlands Kulturhauptstadt zu sein. Ich bin mehrmals im Jahr in St. Petersburg, und auch im Sommer 2011 war ich bei einem gemeinsamen Event mit dem amerikanischen Schauspieler Kevin Kostner und dem weltbekannten Regisseur Woody Allen dort.
Kevin Kostner und ich sind gemeinsam zu einem Kinderkrankenhaus gefahren und übergaben der Klinikleitung einen nagelneuen Van, damit die Kinder sicherer und besser transportiert werden konnten.
Vor ein paar Jahren erlebte ich in St. Petersburg folgende Geschichte. Oder doch nicht? Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Sie ist nur ein Beispiel dafür, was man als bekannter Künstler alles über sich lesen darf – oder lesen muss. Völlig egal, ob das geschilderte Ereignis tatsächlich so stattgefunden hat oder nicht.
Also, was war geschehen? Ich weilte an einem Wochenende Anfang Juni in St. Petersburg. Die Zeit der legendären „Weißen Nächte“ begann, und die Stadt zeigte sich im schönsten Sommerkleid. Ich entschied mich, nach meinem Konzert noch einen Tag länger zu bleiben und mit Freunden auf einer Privatjacht auf der Newa zu schippern, um gemeinsam das traumhafte Panorama zu genießen. Zur Erläuterung: Die Newa ist über 70 Kilometer lang und bis zu einem Kilometer breit. Sie fließt aus dem Ladoga-See und mündet in den Finnischen Meerbusen. Kurz davor teilt sie sich im Stadtgebiet von St. Petersburg in drei Hauptarme. Die Newa ist eine Wasserstraße von großer Bedeutung und das Markenzeichen der Stadt. St. Petersburg hat ihr seine Entwicklung als Festungs- und Hafenstadt zu verdanken. An ihren Ufern entstanden die schönsten Bauwerke.
Es geschah auf Höhe der Ioannow-Brücke. Ich war gerade dabei, meinen Begleitern überschwänglich vor Glück und wild gestikulierend alles Wissenswerte über die „Peter-und-Paul-Festung“ nahezubringen. Plötzlich löste sich von meinem Handgelenk meine mit 150 Brillanten besetzte und 200 000 US-Dollar teure Luxus-Uhr. Die Uhr verschwand in den Fluten der Newa.
Ich war geschockt. Und nicht nur ich. Alle an Bord konnten nicht fassen, was da eben passiert war.
Selbstverständlich setzte ich gleich eine Belohnung in Höhe von 10 000 Dollar aus, die der glückliche Finder meiner Uhr erhalten sollte. Sämtliche Hobbytaucher, die von meinem Missgeschick hörten, versammelten sich an der Brücke und suchten auf dem verschlammten und vermüllten Grund des Flusses nach meiner Uhr. Und tatsächlich, das Glück war mir hold! Ein stadtbekannter Profitaucher fand das gute Stück. Ich zahlte ihm seinen Finderlohn aus, und er gab mir die Uhr zurück. Selbstverständlich ließ ich die Uhr dann in einem gepanzerten Jeep abtransportieren und war der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. Aus Dankbarkeit lud ich alle Einwohner St. Petersburgs zu einem riesigen Sommerfest ein und gab für alle Kaviar und Champagner aus. Und wenn wir nicht gestorben sind, dann feiern wir noch heute …
Jetzt stelle ich Ihnen eine Frage: Was an dieser Geschichte könnte wohl frei erfunden sein? Ich mach es Ihnen einfach: Alles!
Ich war zu dieser Zeit gar nicht in St. Petersburg, geschweige denn besitze
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