100 Tage Sex
wir einen Babysitter pro Stunde bezahlen. Nicht gut. Ein Weg führte mich sogar zum - halte dich fest! - Hippie-Sexshop, den du mal besucht hast. Dort sah ich mir die G-Punkt-Geräte und die restlichen Spielsachen an. Hat mich alles nicht vom Hocker gerissen. Und weißt du auch, warum nicht? In meinem Leben gibt’s genug Sex, da brauche ich so einen Laden nicht. Wie auch immer, ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich einen Babysitter geholt habe, um in Ruhe Besorgungen erledigen zu können. HDGDL!«
Ich antwortete: »NATÜRLICH stört mich das nicht! Mach dir keine Vorwürfe. Du darfst mit der freien Zeit, die dir der Babysitter verschafft, doch tun, was du willst! HDGDL!« (Wieder die schmalzige Abkürzung. Sorry, Jungs.)
Schon zu Beginn des Marathons hatten Annie und ich uns entschieden, eine Nacht allein in einem Naturpark zu verbringen, wenn das mit der Babysitterin funktionierte (was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit wussten). Wir reservierten eine Jurte, eine konisches Gebilde aus Zeltbahnen, in der wir schon vor ziemlich genau einem
Jahr einmal übernachtet hatten. Sie lag mehr als 1200 Höhenmeter über Denver, und als wir im Vorjahr dort schliefen, fielen über Nacht fünfzig Zentimeter Schnee, und ein Blizzard heulte. Die Heimfahrt mit den Kindern im Minivan wurde damals zum echten Abenteuer. Diesmal sagten die Wetterpropheten keinen Ärger voraus, trotzdem beschlossen wir, den allradgetriebenen Subaru zu nehmen, nur zur Sicherheit.
Wir erreichten die Jurte, als die Nacht anbrach. Drinnen öffneten wir eine Flasche französischen Wein, den wir vor Jahren einmal in Baltimore gekauft hatten, packten den Käse aus, den Annie in einem wunderbaren Käseladen in Denver besorgt hatte, und verwöhnten uns mit Gouda, Baguette und Wein. Danach stapften wir über eine schneebedeckte Nebenstraße zu einem Aussichtspunkt, der für seinen spektakulären Blick auf die kontinentale Wasserscheide berühmt ist. Dort konnten wir zwar nicht viel sehen - über allem lagen Wolkenfetzen, und es schneite -, aber der Spaziergang war äußerst romantisch: Riesige Nadelbäume bogen sich unter den Schneemassen, Raben hockten krächzend auf kahlen Ästen, der Himmel verfärbte sich rasch von Grau zu Marineblau und schließlich zu sternlosem Nachtschwarz.
Zurück in der Jurte saßen wir eine Zeit lang beisammen, aßen und tranken. Dann zogen Annie und ich eine Matratze vom hölzernen Stockbett, legten sie auf den Boden und schlüpften unter die Decke.
»Sagenhaft«, meinte Annie. »Wir haben alle Zeit der Welt und nichts zu tun - außer miteinander zu schlafen.«
»Wir könnten es wie diese Swingertypen machen«, sagte ich. »Und es stundenlang treiben.«
»Hundert Minuten lang, das wäre cool«, fand Annie.
Noch nie hatten wir eine ganze Nacht oder gar ein ganzes Wochenende nur dem Sex gefrönt. Jetzt war es so weit: Wir waren allein, in einer warmen Jurte, an einem kalten Abend in den Bergen, um uns herum nichts als Schnee und Bäume, Sterne und Kojoten. Nichts würde uns von einer ausgedehnten erotischen Tour abhalten. Kein Fernseher, keine Gutenachtgeschichten, keine Bücher.
Wir zogen die Decken bis zum Hals hoch.
»Sex die ganze Nacht?«, flüsterte ich.
»Lass uns dabei nicht auf die Uhr sehen«, mahnte Annie. »Das fände ich albern. Tun wir es einfach.«
Wir pressten unsere Körper aneinander, und während sich die Luft unter der Decke erhitzte, taten es unsere Körper ihr nach.
12
Das Verlesen der Listen
BEIM ERWACHEN SAHEN WIR DURCH das Fenster im Dachspitz, wie draußen Schnee und Nebel vorbeidrifteten. Ein weiterer Morgen fern von unserem Häuschen dort unten. Ich huschte über den kalten Boden der Jurte zur blechernen Kaffeekanne, füllte sie mit kaltem Espresso, den wir daheim gebraut hatten, und stellte sie auf den heißen Ofen. Nach zwanzig Minuten war der Kaffee heiß. Danach zogen wir uns warm an, mit langen Unterhosen, Wintermänteln und Stiefeln, und gingen in eine spektakuläre Winterlandschaft mit schwerelos wirkendem Schnee und aufreißendem Himmel hinaus. Es öffneten sich sagenhafte Blicke auf ferne, überzuckerte Gipfel. Wir wanderten etwa eine Stunde umher. Die ganze Zeit über unterhielten wir uns; immer wieder riefen wir begeistert aus, wie zauberhaft, wie wunderbar Colorado aussah, wie vielfältig die Landschaft und die Tierwelt waren.
Zurück in der Jurte hängten wir unsere Kleidung über den Ofen und schlüpften zurück unter die Decke.
»K-k-kalt«, schnatterte
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