100 Tage Sex
Annie, die normalerweise ein menschlicher Backofen ist. Wenn sie sich über Kälte beschwerte, musste sie schon arktisch sein. Sie umschlang
mich, um sich an mir zu wärmen. Wir blickten durch das Fenster im Dachspitz. Annie fragte: »Kann es noch besser werden?«
Ich drehte mich zu ihr - eine Bewegung, die man als »ersten Schritt« bezeichnen könnte - und sagte: »Ja.«
Hinterher fühlte sich der Raum - oder zumindest unsere winzige Höhle unter der Decke - glühend heiß an.
»Das soll wohl ein Witz sein, oder?«, fragte Annie am nächsten Tag. Wir waren wieder zu Hause, und Joni war wieder krank.
»Eigentlich können es ja nicht wieder Streptokokken sein«, meinte der Kinderarzt. Er machte trotzdem den Test - und tatsächlich waren es Streptokokken.
»Mein Tag war die Hölle«, berichtete mir Annie per E-Mail ins Büro. »Erst saßen wir ewig im Wartezimmer des Kinderarztes, neben einem Dutzend kranken Kindern, die alle Spielsachen vollsabberten. Dann dauerte es eineinhalb Stunden, bis die Apotheke das richtige Medikament besorgt hatte, danach musste ich noch ein paar dringende Erledigungen machen. Daheim verschwand Joni sofort im Bett, und Ginger hockte sich vor den Fernseher.«
Voller Mitleid mit Annie beschloss ich, durch die frühlingshafte Tundra zum Yogastudio in der Nähe der Redaktion zu gehen. Dort kaufte ich einen blauen Kapuzenpullover mit Buddhamotiv, ein breites Armband mit Sanskrit-Aufschrift und echte indische Räucherstäbchen. Als ich heimkam, wuselte Annie in der Küche herum: Sie kochte Pasta, rührte eine selbst gemachte Soße um und buk italienisches Brot auf, das sie mit Knoblauch und Olivenöl eingerieben hatte. Um sie türmten sich Flaschen
und Tiegel, Teller und Geräte. Der Staubsauger stand herum; offenbar hatte sie den Teppich gesaugt. Die Mädchen hatten die Teile verschiedener Puzzles über den Boden verstreut. Annie schien in Hausarbeit zu ertrinken.
»Hallo, Schatz«, rief ich, als ich hereinkam.
Die Mädchen stürmten mir in die Arme. »Daddy! Daddy!«
Meine Wundertüte in der Hand, ging ich zu Annie.
»Daddy, Daddy, was ist in der Tasche? Was für mich?«, bettelte Ginger.
»Ja, Daddy, was ist da drin?«, fragte Joni schüchtern.
»Sorry, Mädels«, sagte ich. Ich stellte die Tasche auf die Theke, umarmte Annie und gab ihr einen Kuss. Dann überreichte ich ihr die Tasche.
»Für mich?«
»Ja. Heute brauchst du Geschenke.«
»Aber ich habe doch gar nicht Geburtstag. Noch nicht.«
»Hab ich nicht vergessen. Aber das hier kommt extra. Einfach so.«
Ich griff in die Tasche und überreichte ihr zuerst den Kapuzenpulli, dann die restlichen Geschenke. Sie umarmte und küsste mich und legte sich das Armband sofort um. Dann zog sie ihren Pullover aus und schlüpfte in das neue Teil. Die Mädchen lächelten und bestaunten die Geschenke, wenn auch etwas irritiert, als fragten sie sich: Meinst du das im Ernst? Kriegen wir nichts? Ich freute mich, dass ich eine Erkenntnis umgesetzt hatte, die mir während unserer Sexreise gekommen war: Geschenke, selbst kleine wie der Hanky-Panky-Stringtanga und die billige Target-Reizwäsche, halfen manchmal, ansonsten trostlose Tage zu retten. Und sie verschönerten Tage, die ohnehin schon gut waren.
Mit neuem Schwung verschwand Annie zum Yoga, während ich daheim mit den Kindern spielte, ihnen das Abendessen servierte und sie ins Bett brachte. Danach bereitete ich mich auf den Abend vor, der ein ganz besonderer werden sollte.
Ein paar Wochen zuvor hatte Annie, angeregt durch eine ihrer Frauenzeitschriften, einen Vorschlag gemacht: Wir beide könnten doch Listen machen, was wir am anderen liebten, und uns dann vorlesen. Als Annie vom Yoga zurück war und geduscht hatte, setzten wir uns nebeneinander aufs Bett, unterhielten uns über den Tag und nahmen uns dann unsere Liebeslisten vor.
»Ich liebe deine Abenteuerlust«, las ich vor. »Du schreckst vor keiner Herausforderung zurück. Du stürzt dich geradezu darauf. Das liebe ich.«
Sie lächelte, während ihr die Tränen herunterliefen.
»Ich liebe es, wenn deine Haare wild abstehen«, sagte sie. »Ich liebe, dass es dir egal ist, was die Leute über deine Frisur denken, und ich liebe es, wie du dann aussiehst.«
Ich weinte nicht, aber mir wurde äußerst warm ums Herz.
»Okay, mein nächster Punkt ist eng mit dem ersten verwandt«, sagte ich. »Ich liebe deinen Mut. Du bist der mutigste Mensch, den ich kenne. Eine mutige Frau, eine mutige Mutter, eine mutige Tochter. In
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