100 Tage Sex
ist die Überraschung?«, fragte Ginger, als wir schon auf dem Weg nach draußen waren.
»Das werdet ihr schon sehen.«
Annie und ich fuhren nach Boulder, wo wir ein Hotelzimmer gebucht hatten. Das war die Überraschung: ein Hotel mit Kabelfernsehen und Schwimmbad. Die Kinder würden später zu uns stoßen. Annie und ich hatten Hotels schon immer gemocht, seien es jetzt billige, beliebige Motels der großen Ketten, seien es schräge alte, abgelegene Kästen, die von schrulligen Familien betrieben wurden. Wir schätzten große Ferienanlagen und edle Stadthotels. Gebt uns ein Hotelzimmer, irgendeines, und wir sind zufrieden.
»Es macht Spaß, erwachsen zu sein«, befand Annie nach dem Einchecken.
Das Hotel in Boulder richtete sein Angebot hauptsächlich auf Geschäftsleute aus, und wir bekamen eine Suite mit Balkon. Alles war außerordentlich sauber, ein, zwei Klassen über dem Standardmotel.
Unser Zimmer war kalt; Annie drehte die Heizung auf. »Genau wie unsere Liebeshöhle«, sagte sie. »Nur anders.« Sie zwinkerte mir zu. »Ziehen wir uns aus! Lass uns Hotelsex haben!«
Noch hatte die Heizung den Raum nicht auf tropische Temperaturen gebracht, deswegen schlüpften wir schnell ins Bett und zogen die Decke bis zum Kinn hoch. Ineinander verschlungen sahen wir uns an. Ich schob mich auf Annie, und wir genossen Lippen und Zunge des anderen. Zärtlich drückte ich ihre Brüste gegeneinander und bewunderte das Schauspiel.
»Ich liebe sie«, sagte ich. »Sie sind perfekt.«
Eigentlich hatten wir vorgehabt, es kurz zu machen - die Kinder sollten möglichst schnell zu ihrer Überraschung kommen -, aber es war so schön, dass wir am liebsten ewig so geblieben wären, auf unserer selbst geschaffenen Insel. Nach dem Sex lagen wir keuchend nebeneinander, starrten ein paar Minuten nur an die Decke, bis wir wieder normal atmeten. Als ich aufstand, hatte ich ganz wacklige Knie. Annie blieb im Zimmer, während ich nach Denver zurückfuhr und die Kinder holte. Beide flippten schier aus, als ich ihnen die Überraschung verriet.
Im Hotel bestellten wir uns Pizza aufs Zimmer und planschten danach eine Zeit lang im Pool. Das ließen wir uns bei einem Aufenthalt im Hotel nie entgehen, egal wie kalt die Luft oder wie zweifelhaft die Wasserqualität auch sein mochte.
Am Abend kroch Joni zu Annie ins Bett, Ginger zu mir. Wir liehen uns den Film Himmel und Huhn aus. Mittendrin sagte Ginger, sie sei müde, und schon zehn Sekunden
später schnarchte sie leise. Auch Joni schlief noch vor Ende des Films ein.
»Das hier ist so ziemlich das Erste, was wir seit Beginn des Marathons speziell für die Kinder gemacht haben«, flüsterte Annie. »Das verdienen sie auch, und noch mehr. Lass uns etwas ganz Besonderes mit ihnen unternehmen, wenn alles vorbei ist. Ich glaube, wir haben sie ganz schön vernachlässigt.«
»Vernachlässigt?«
»Zum Beispiel das viele Yoga«, meinte Annie. »Sie kennen das nicht, dass so oft einer von uns beim Abendessen fehlt. Die Wochenenden, die wir allein verbracht haben. Auch das war neu für die Mädchen. Manchmal bekomme ich das Gefühl, wir hetzen sie zur Schlafenszeit, um selbst schneller ins Bett steigen zu können.«
»Dennoch dreht sich unser Leben hauptsächlich um sie«, flüsterte ich. »Wir erleben alle möglichen Abenteuer ohne sie, wir sind öfter mal nicht zu Hause, aber trotzdem. Sie sind der Mittelpunkt. Ja, wir sollten etwas ganz Besonderes mit ihnen unternehmen, aber schuldig fühle ich mich nicht. Du?«
»Gerade noch fühlte ich mich schuldig«, gab sie lächelnd zu. »Aber jetzt, wo du es so ausgedrückt hast, nicht mehr besonders.«
»Wir schaffen das«, sagte ich. »Wir verändern unser Leben, zum Besseren, aber nicht zulasten der Kinder. Mit anderen Worten: Wir brauchen keinen indischen Aschram oder Ähnliches, um uns ›selbst zu finden‹.«
»Genau«, flüsterte Annie strahlend.
14
Liebe am Nachmittag
LIEBE GESCHIEHT. Natürlich braucht sie Nahrung, Wärme und Licht. Sie braucht Verbindlichkeit. Und eine gewisse Chemie. Aber wenn alles zusammenpasst, erblüht sie. Sie ist unbewusst: eine Macht, ein Feuer, ein Geist. Romantik allerdings läuft bewusst ab, absichtlich. Zur Romantik gehört Intelligenz. Sie ist eine Art Tanz. Jeder Partner muss sich überlegen, was dem anderen gefällt. Auch das Überraschungsmoment spielt in der Romantik eine große Rolle - es geht also nicht allein darum, die bekannten Vorlieben des anderen zu bedienen, man muss ihn auch überraschen. Kurz,
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