100 Tage Sex
gefallen, Glück zu verbreiten. Der Morgencappuccino war nur eine weitere Episode in der langen und ereignisreichen Geschichte ihres Strebens danach, anderen eine Freude zu machen. Es ist harte Arbeit, anderen zu gefallen, und Annie ist eine Meisterin darin. Ich hingegen werde immer Anfänger bleiben, ein dümmlicher Lehrling. Über die Jahre hatte ich immer wieder Besserung gelobt, aber viel war nicht dabei herausgekommen. Und auch hier in Vegas, nach bald einer Woche Sex, nahm ich mir wieder fest vor, Annie zukünftig öfter eine Freude zu machen.
»Was für ein perfekter Anfang für einen Tag!«, schwärmte ich, die Finger um den heißen Kaffeebecher gelegt.
»Ich glaube, ich kann den Tag noch besser machen«, flüsterte Annie und warf mir einen durchtriebenen Blick zu.
»Oh, da bin ich mir sicher«, sagte ich und spürte den ersten erotischen Stromstoß des Tages.
Rasch schluckten wir unsere unverzichtbaren Koffeinkicks und machten uns auf in Richtung Venetian, zu einem weiteren Pornotag. Heute drängelten sich noch mehr Leute in den verschlungenen Gängen als am Vortag. Allein begab ich mich auf die Suche nach Interviewpartnern für meine geplanten Geschichten über Pornos für Handys und Video-iPods, über Software zur Partnersuche und über Aphrodisiaka auf Kräuterbasis. Annie machte sich derweil mit Steve selbstständig, meinem Freund aus Schulzeiten, den alle nur »Shave« nannten und mit dem wir uns am Abend zuvor zum Essen getroffen hatten. Als ich sie wiedertraf, war Annie gerade an einem Stand, wo Randy West, der offenbar einzige heterosexuelle Pornostar im Gebäude, Autogramme gab. Sie plauderte ein wenig mit ihm, dann zückte er den Stift. Grinsend und mit hochrotem Kopf kam Annie mir entgegen und zeigte mir das Foto. Darauf sah man West auf einem beigefarbenen Flauschteppich gegen einen Kaminsims gelehnt stehen und dem Betrachter ein Teil vom Umfang einer Pringles-Dose entgegenrecken.
So viel zum Thema Konkurrenz.
»Was, du hast dir ein Autogramm geholt?«, staunte ich und besah mir das Foto von Mann und Anakonda samt der Widmung: Für Annie - hart bei der Arbeit.
»Ich hol mir auch eines«, erklärte ich. Ich war nicht ansatzweise eifersüchtig, sondern schlicht begeistert. Annie hatte angefangen, also durfte ich mich jetzt ohne die geringsten Schuldgefühle mit einer Pornodarstellerin meiner Wahl fotografieren lassen. Ich kam an ein paar weiblichen
Stars vorbei, aber keine schien mir autogrammwürdig. Doch dann sah ich sie, Smoking Mary Jane, in zurückhaltendem Dominastil. Als ich näher kam, hoben sich ihre knallroten Lippen zu einem Lächeln.
»Darf ich ein Autogramm von Ihnen haben?«, fragte ich. Ich kam mir tollpatschig vor wie ein Vierzehnjähriger.
»Klar, Baby«, antwortete sie. Sie unterschrieb und bat mich zu sich. Ich folgte gehorsam. Sie schlang mir den Arm um die Taille und lächelte für Annies Fotoapparat. Ich legte meinen Arm um ihren in einem Korsett steckenden Oberkörper. Ihr canyontiefer Ausschnitt zog meinen Blick an. Ich verlor mich im Abgrund des Fleisches. Klick.
Danach zogen Annie, Shave und ich uns an eine schicke Bar des Casinos zurück, einen Ort tiefer Sofas, niedriger Couchtische, schummrigen Lichts und teurer Spirituosen. In so einer Bar waren wir nicht mehr gewesen, seit die Kinder auf der Welt waren. Wir lehnten uns zurück, tranken kühles Bier und hielten Ausschau nach Pornostars. Gern wäre ich stundenlang in der Bar versackt, aber es sollte nicht sein.
»Shave«, sagte ich, »ich sage es ja ungern so direkt, aber Annie und ich müssen jetzt miteinander ins Bett. Wir sehen uns später.«
Er lachte; ich hatte ihm von unserem Marathon erzählt. »Alles klar, Alter. Bis nachher.«
Und dann waren Annie und ich wieder in unserem Bett im sechsten Stock, ganz aufgeregt über das neue Silikon-Gleitmittel, das ich auf der Show gekauft hatte. Tropfenförmige Flaschen mit einem Produkt, das erst später im Jahr in die Geschäfte kommen würde. »Das beste Gleitmittel
der Welt«, versicherte Annie eine Verkäuferin mit offenherzig präsentiertem Vorbau. »Ihr werdet schon sehen«, versprach sie lächelnd. Auf der Messe boten verschiedene Händler Kräutermittelchen an, die »Standhaftigkeit« oder »Erregbarkeit« fördern sollten. Ich hatte mir ein paar davon geschnappt. Noch als wir mit Steve an der Bar saßen, hatte ich eine Tablette mit chinesischen Kräutern geschluckt - heimlich, weil ich nicht wollte, dass mein Kumpel dachte, wir müssten schon in der
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