100 Tage Sex
entsprechenden Filme, schrieben Autogramme, posierten mit ihren Fans für Erinnerungsbilder und leckten sich anzüglich die Lippen.
»Schau dir den Vorbau an!«, rief ein Kerl in Jogginghose und Raiders-Pullover. Er deutete auf eine Frau mit Netzstrümpfen, die bis zu den Oberschenkeln gingen,
einem Stringtanga und einem kaum schmetterlingsgro ßen Oberteil. Begeistert klatschte der Kerl seinen ebenfalls joggingbehosten Freund mit einem High-Five ab. Dieser erbärmliche Anblick löste die verschiedensten Gedanken in mir aus, unter anderem: Es spricht wirklich nicht viel für Jogginghosen.
»Hey, Süßer«, sagte eine andere Pornodarstellerin mit himmlischen rosa Flügeln am Rücken, die sie wie eine Art Sexfee aussehen ließen, und legte ihren Arm um einen moppeligen Kerl im Flanellhemd. Auf dem Bildschirm darüber stöhnte sie: »Ja! Ja! O yeah, Baby! Genau da! Yeah!« Sie zog den Flanelltypen näher zu sich heran und grinste für das Erinnerungsfoto.
Während ich die Szene beobachtete und mir Notizen machte, gingen zwei weitere Pornostarlets händchenhaltend an mir vorbei. In ihren Gesichtern schimmerte Glitzerzeug.
»Ich brauch jetzt einen Drink«, raunte die eine.
»Oder drei«, antwortete die andere.
»Party!«, brüllte ein gigantischer Kahlkopf in edlem Anzug und mit verdächtig rot geränderten Augen - Alkohol? Drogen? Beides? »Mannometer!«, rief er, auf eine Frau in Stringtanga und hochhackigen Schuhen deutend, die sich für eine Kamera vornüberbeugte und ihre Fußgelenke packte. » Da mach ich mit!«
Trotz all der unerfreulichen, aber keineswegs überraschenden High-Fives spätpubertierender Männer und der allgegenwärtigen Begeisterungsrufe empfand ich die Atmosphäre als eindeutig erotisch. Allein der Gedanke, dass mich massenweise Frauen umgaben, die in Sachen Sex zu so ziemlich allem bereit waren! In den engen Gängen kam
ich oft genug mit ihnen auf Tuchfühlung. Ich sah sie an den Ständen ihrer Firmen und stellte sie mir sofort nackt vor (nicht, dass es dazu besonders großer Fantasie bedurft hätte). Gleichzeitig wusste ich, dass diese Frauen die unvorstellbarsten Dinge mit männlichen Pornodarstellern gemacht hatten, mit Kerlen, die ihre Karriere allein der Länge und Dicke ihrer … Männlichkeit verdankten. Könnte irgendwas Kleineres als ein Giraffenhals diese Nymphen befriedigen? Und wenn Sex für sie Arbeit war, hatten sie dann nicht längst genug davon?
Doch die Messehallen wurden nicht nur von leicht bekleideten Pornodarstellerinnen und ihren männlichen Fans bevölkert. Auch weibliche Messegäste - die meisten in Begleitung ihrer Freunde oder Ehemänner - mühten sich in Wettbewerben wie »Bestes Analorgasmus-Stöhnen« und stöhnten »O! O! O! Ja, Baby, fester, fester!« in Mikrofone. Einige Frauen - sowohl Besucherinnen als auch Darstellerinnen - wurden in SM-Vorführungen an Tische gefesselt. Im Sexspielzeug-Bereich fanden sich an asiatischen Ständen verblüffende Gerätschaften, zum Beispiel ein keuchendes, surrendes Teil, das der Fantasie Willy Wonkas entsprungen zu sein schien und Männer masturbierte.
Mir schwirrte der Kopf. Annie und ich beglotzten die in Latex gehüllten Fetischdamen und ihre schwulen Gegenstücke - Kerle in schwarzem Leder, von Ringen und Stäben durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Wir staunten immer wieder über unbeschreiblich große Brüste, über Aufblaspuppen und künstliche Vaginas - gummiartige, fleischfarbene Taschen, mit denen Männer »Sex« haben können. Unfassbar auch die Dildos, dick wie Butternut-Kürbisse, lang wie Anakondas.
»O mein Gott«, staunte Annie, als wir an den ersten Dildostand kamen. »Soll das ein Penis sein?«
»Vielleicht in einem anderen Universum«, antwortete ich kleinlaut.
Annie begann, Sexspielzeugverkäufer anzusprechen, wobei mir ein wenig unbehaglich war. Während sie sich unterhielt, sah ich mich nervös um, als würde Annie gerade in einem öffentlichen Park einem Dealer ein paar Gramm Hasch abkaufen.
»Was Sie suchen, heißt ›Zwei Finger und ein Daumen‹«, sagte eine Verkäuferin, die aussah wie ein braves Mädchen vom Land. Das bestätigte Annies Überzeugung, Sexspielzeug gehöre inzwischen zur Alltagskultur. Die Verkäuferin wies ihr den entsprechenden Gang, wo die Geräte ausgestellt waren. Wir kämpften uns durch das Gedränge - und da waren sie plötzlich: »Zwei Finger und ein Daumen«.
Ohne zu zögern reichte Annie dem Verkäufer 25 Dollar und legte »Zwei Finger« in unsere Tasche mit
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