100 Tage Sex
abgewinnen. Nach ein paar Minuten schaltete ich aus.
»Pornos sind echt das Letzte!«, sagte Annie.
Ich pflichtete ihr bei. Den Großteil meines Lebens hatte ich Pornos wenig Beachtung geschenkt, nicht zuletzt, weil ich es peinlich gefunden hätte, sie in einem Erotikladen zu kaufen - oder in der örtlichen Videothek in die Erwachsenenabteilung zu schlüpfen, während nebenan die Mütter und Kinder der Nachbarschaft (Hallo, Sheila!) herum wuselten und Filme wie Findet Nemo oder Das große Krabbeln ausliehen. Erst als Pornos das Internet zu überschwemmen begannen, riskierte ich einen zweiten Blick. Der tägliche Sex mit Annie hatte mir Pornos nicht verleidet, ich fand sie nur arg eintönig und grauenhaft übertrieben. Ich schlief nicht nur jeden Tag mit einem echten Menschen, sondern wollte es auch jeden Tag mit diesem echten Menschen, der echten Annie, tun. Dieser Lust mit Pornos nachhelfen zu wollen, war wie Tempo-Taschentücher auf einen lodernden Scheiterhaufen zu werfen: Es brachte nichts.
An diesem glücklichen Freitag brauchten Annie und ich, nachdem wir die Videos endgültig verbannt hatten, nicht lang, bis wir ein paar große Baumstämme in den Scheiterhaufen warfen. Hat die Zimtpille geholfen? Wer weiß? Auf jeden Fall stand alles steif und fest, die Leidenschaft loderte, und der Sex war prima. Was will man mehr?
Am nächsten Tag zogen wir stundenlang mit Ginger auf Pfadfinderkeks-Verkaufstour von Haus zu Haus. Als wir endlich wieder daheim waren, rief ich meine Mutter an.
Nachdem wir ein bisschen Smalltalk gemacht und die Neuigkeiten ausgetauscht hatten, meinte sie plötzlich: »Ich bin ja so stolz auf dich! Dass du es wirklich Tag für Tag tun kannst!«
»Danke, Mom«, antwortete ich, wie immer peinlich berührt, wenn ich mit meinen Leuten über dieses Thema redete (das neuerdings in jeder Unterhaltung mindestens einmal angeschnitten wurde). Am Nachmittag seilten Annie und ich uns ein paar Stunden ins Café ab, dann aßen wir mit den Kindern zu Abend und brachten sie ins Bett. Danach fiel es uns schwer, auf Sex umzuschalten. Annie erklärte, am liebsten würde sie sich einen Spielfilm reinziehen und dann langsam wegdämmern.
Aber diesmal war ich eher in Stimmung, und ihre Lustlosigkeit kränkte mich ein bisschen.
»Ach komm«, sagte ich. »Es macht doch Spaß!«
»Nicht immer.«
Autsch.
»Verdammt, warum machen wir das hier dann?«, fragte ich.
»Weil sich unser Sexleben schon verbessert hat. Und ich fühle mich dir näher. Wir bekommen das schon hin!«
»Aber offenbar fängst du an, dich zu langweilen«, wandte ich ein.
»Ich habe nie erwartet, dass wir hundertmal grandiosen Sex haben würden«, entgegnete Annie. »Ich dachte, manchmal würde es toll sein und manchmal eben nicht so besonders. Ich dachte, wir würden dabei etwas lernen - und das tun wir.«
»Du möchtest es heute also schon tun?«
Sie dachte nach. Und lächelte. »Ja, ich will. Bald. Nicht jetzt.«
Ich wandte mich wieder meinem Buch zu, einer Einführung in die Sexstellungen des Kamasutra. Ich las eine Stunde lang, tauschte ab und zu ein paar Worte mit Annie aus und ließ dann meine Hand auf ihren Oberschenkel wandern. Die halbe Erektion, die ich am Abend bereits eine Stunde lang spazieren geführt hatte, bis Annies erklärte Lustlosigkeit sie schrumpfen ließ, kehrte schnell zurück. Wir küssten uns im Sitzen, dann drehte ich Annie auf den Rücken. So küssten wir uns weiter, bis Annie sagte: »Hey, allmählich komm ich auf Touren!«
Das konnte ich von meiner Seite nur bestätigen, und schon bald lagen wir nebeneinander im Bett und plauderten, das Kapitel des heutigen Abends abgeschlossen.
»Diese Woche war ganz schön was los«, sagte ich. »Porno, Gleitmittel, Aphrodisiaka, Hüpfball. Hat Spaß gemacht, oder?«
Annie gestand, dass sie den ganzen Tag über nervös gewesen war, aus Sorge, unsere abendlichen Eskapaden könnten langsam anfangen, langweilig zu werden. »Bisher war’s großartig«, sagte sie. »Aber wir haben noch nicht mal ein Viertel rum, und wir können nicht jeden Abend noch eins draufsetzen, mit Sexspielzeug und so. Ich weiß, wir haben darüber schon geredet, aber jetzt nagt die Frage echt an mir: Könntest du meiner überdrüssig werden?«
»Witzigerweise hatte ich die gleiche Sorge«, sagte ich. »Während der ersten Woche war es was anderes, da waren wir erschöpft, hatten keine besondere Lust und zogen ein paar Quickies durch. Aber was passiert, wenn sich Episoden
wie heute Abend
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