100 Tage Sex
nie auf den Gedanken gekommen - Beckenbodenübungen schienen eine reine Frauendomäne, wie Tampons oder Wimperntusche -, bis ich in einem Buch las, dass sie Männern dabei helfen konnten, die Erektion zu stärken und die Ejakulation hinauszuzögern. Beides schien, insbesondere im Licht des Marathons, durchaus erstrebenswert. Natürlich erzählte ich niemandem außer Annie von meinen Übungen. Sie reagierte mit: »Glückwunsch! Kann ich nur empfehlen!«, was meinem männlichen Selbstwertgefühl nicht gerade aufhalf.
Irgendwann an diesem Beckenbodennachmittag fiel mir auf, wie sehr mein Leben die letzten dreiunddreißig Tage um meinen Penis gekreist war. Ständig ertappte ich mich dabei, wie ich an ihn dachte. Wie geht’s, Sportsfreund? Du
bist der Star, Kumpel. Nur nicht den Mut verlieren! Du schaffst es! Ich fürchtete, dieser Abend würde ein harter Test für meine Libido und ihren Hauptdarsteller werden. Wir waren mit Tucker Shaw, dem Restaurantkritiker der Post , zum Abendessen in einem neuen kubanischen Restaurant verabredet. Tucker hatte ein ganzes Jahr lang alles fotografiert, was er aß, und ein Buch darüber veröffentlicht. Zum zweiten Mal während unseres Marathons hatten Annie und ich heute eine Verabredung, bei dem nach Dinner und Drinks die Pflicht rief. Wenn die Hydraulik auch ohne Alkohol und schwere Mahlzeiten schon nachließ, wie sollte das dann erst heute Nacht werden?
Verblüfft gaffte ich Annie an, als sie daheim die Treppe herunterkam. Zu einem engen Rock trug sie eine gemusterte Strumpfhose und ein freizügiges schwarzes Top, das ihr Dekolleté betonte. Ihr Haar wirkte kräftig und gesund, ihre vollen Lippen schimmerten. Die Mädchen flatterten um ihre Mutter und riefen, wie gut sie rieche, wie gut sie aussehe, wie toll sie ihr Haar fänden und so weiter. Auch mein sportliches Jackett lobten sie. Wenig später klingelte die Babysitterin, und wir zogen los. Auf der Fahrt plauderten wir, auf dem Weg vom Parkplatz zum Restaurant hakte sich Annie bei mir unter. Nichts hätte mich stolzer machen können.
Seht alle her! Sie gehört zu mir!
Das Essen war nur mittelmäßig, aber die Mojitos hatten es in sich. Annie war blendender Laune, schlagfertig und umwerfend attraktiv. Mit Tucker verstand sie sich auf Anhieb bestens. All das ließ sie mir umso attraktiver erscheinen. Ich fand es sogar süß, als sie meinen Mojito umstieß und über den ganzen Tisch vergoss.
Meinen inneren Ratgeber, der mich mit erhobenem Zeigefinger davor warnte, dass schwere Mahlzeiten dem Vollzug eines gewissen körperlichen Aktes nicht förderlich seien, überhörte ich geflissentlich. Red du nur, dachte ich. Ich bestellte eine Vorspeise, dann einen großen Teller Protein (Fisch) mit einem Haufen Kohlehydrate. Ich nahm auch ein Dessert. Wahrscheinlich hätte ich das Gleiche bestellt, wenn Tucker nicht dabei gewesen wäre - mein Appetit siegte über meine Vernunft -, aber die Tatsache, dass die Denver Post die Rechnung übernahm, war sozusagen das Sahnehäubchen. Hier bot sich die Gelegenheit, unser Motto »Gratis ist geil« nach Herzenslust auszuleben. Ich war nicht bereit, auch nur eine Kalorie zu verschenken.
Daheim bezahlten wir die Babysitterin, sprangen unter die Dusche und schlüpften um halb zwölf ins Bett, etwa eine Stunde nach unserer normalen Schlafenszeit. Das Essen lag mir schwer im Magen, zwei Mojitos dämpften meine Libido. Wir stürzten uns mitten hinein: kein Küssen und Streicheln, kein Vorspiel, nur ein Klecks Gleitmittel. Und los! Zehn Minuten später waren wir fertig.
»Marathonsex«, murmelte eine geschaffte Annie, kurz bevor sie ins Traumland abtauchte. »Manchmal macht man’s nur, um es gemacht zu haben.«
Wie wahr!
Am nächsten Abend reagierte ich begeistert auf den Anblick Annies in einem heißen Negligé, auf ihre frisch pedikürten roten Zehennägel und ihre marmorglatten Schenkel. Während die visuellen Reize noch durch mein Hirn paradierten, stieß ein akustischer hinzu. Als die Sendung,
die Annie und ich uns auf DVD ansahen, zu Ende ging, fiel mir ein leises Summen auf.
»Was ist das für ein Geräusch?«, fragte ich.
Mit Schwung zog Annie »Zwei Finger und einen Daumen« unter ihrem Nachthemd hervor und grinste: »Ich bin bereit!«
Beide aufs Äußerste erregt, verschworen wir uns, Liebessitzung Nummer 35 zu vollziehen.
Allmählich wird’s wild, dachte ich, als wir fertig waren. Ich hatte vorgehabt, den Beutel Viagra aufzuheben, den unsere Ärztin mir zugeworfen hatte, bis ich
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