100 Tage Sex
ihn wirklich brauchte. Jetzt aber hatte ich Lust auf weitere, gewagtere Experimente bekommen.
7
Hosen runter!
»DU BENIMMST DICH WIE EIN FREAK«, fand Annie. - Genau um 19.11 Uhr nahm ich am folgenden Abend eine kleine blaue Pille aus der Packung und schluckte sie. Als die Kinder schließlich eine Stunde später im Bett waren, wurde mein Hals urplötzlich trocken, es zwickte darin, und meine Augen und Aufmerksamkeit flatterten umher wie Hummeln in einer Rittersporn-Plantage. Es fühlte sich an, als hätte ich einen Espresso zu viel getrunken. In der Dusche zuckten Stromstöße durch Seine Lordschaft, als hätte der Blitz eingeschlagen, und bald hatte ein mysteriöser Anhang seinen Auftritt, der unabhängig von meinem Gehirn handelte. Als ich ins Schlafzimmer zurückkam, trug Annie Reizwäsche, und als sie sich vorbeugte, um etwas aufzuheben, zog mich mein neuer Freund, der Autonome Anhang, direkt zu ihr. Der Tanz begann. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so scharf auf Sex gewesen zu sein; wobei ich eher von »Besessenheit« reden würde als von »Leidenschaft«. Zwanzig Minuten rasten vorbei. Als es vorüber war, lag ich wie gelähmt da; ein überhitzter Rennmotor, ein befriedigter Hund.
Annie wies auf den Autonomen Anhang. »Was meinst du? Wird er sich wieder beruhigen?«
Ich blickte hinunter. »Ganz schön … stramm, oder?«, fragte ich.
»Ja, und er macht gar keine Anzeichen, schlapp zu werden.«
Ich stützte mich auf die Ellenbogen und wartete eine Minute. Drei Minuten. Sechs. Keine Veränderung. Würde der Autonome Anhang sich irgendwann meinem Willen beugen und schlafen gehen? Oder würde es einen ausgewachsenen Exorzismus brauchen, um diesen Dämon zu bändigen? Gesänge? Weihwasser? Einen Schamanen? Nach zehn Minuten machte ich mir langsam wirklich Sorgen. Sie werden sich an meine Vision von der Notaufnahme erinnern, an das Kind mit dem gebrochenen Arm neben dem ekligen Mann, der alles repräsentiert, was in Amerika schiefläuft. Doch nach etwa einer Viertelstunde geruhte Seine Lordschaft glücklicherweise, sich zurückzuziehen und schlafen zu legen. Ich tat es ihm nach.
Am nächsten Tag erzählte ich einem Kollegen von meiner Viagra-Premiere, und er fragte: »Hast du keine Angst, abhängig zu werden?«
Spontan hätte ich geantwortet: »Eigentlich nicht.« Aber dann dachte ich darüber nach. Die Pille hatte einen uralten Teil meiner Instinkte angesprochen und tief in meinem vierzigjährigen Hirn den Höhlenmenschen erweckt. Dieser keulenschwingende Geselle war noch genauso mächtig wie in meiner Jugend, trat aber nicht mehr so grobschlächtig auf wie damals, als ich sechzehn oder zwanzig war. Ich mochte den grunzenden Dummkopf. Mir gefiel,
wie er aufgetreten war, grinsend und bereit, sofort loszulegen, kaum hatte ich die Pille eingeworfen. Ich glaube nicht, dass ich von ihr abhängig werden könnte, aber an die Anwesenheit des wilden Kerls könnte ich mich schon gewöhnen, und die Pille erleichtert ihm seine Auftritte ungemein.
Auch Annie gefiel der vor Energie strotzende Höhlenmensch, aber es gab Grenzen. Zwei Nächte hintereinander zum Beispiel brauchte sie ihn nicht. Am Abend - die Kinder spielten im Keller mit ihren Polly-Pocket-Puppen - bemerkte Annie, sie sei froh, dass der Höhlenmensch von gestern heute nicht zu Besuch kommen würde. »Oder?«
»Heute kein Viagra«, versprach ich. (Höflichkeitshalber flüsterte ich dem Höhlenmenschen zu: Sorry, Sportsfreund! ) »Aber warum bist du so froh darüber?«
»Ich bin total kaputt«, antwortete sie. »Erledigt. Auf Sex freue ich mich, aber dieses, du weißt schon, Gerammle, könnte ich glaube ich nicht ertragen.«
»Man hat den Unterschied also gemerkt?«
»O ja«, sagte sie ernst. »Du hast nur so gestrotzt vor Energie. Das war schön, aber nichts für jeden Abend. Manchmal ist langsam und entspannt besser.«
Das hörte ich gern. Hätte Annie gejubelt: »Mann, ich wünschte, du würdest jeden Tag so loslegen!«, hätte das nichts anderes geheißen als »Viagra ist besser als du«, und die Botschaft hätte ich auch ohne Psychologen oder Linguisten verstanden.
»Hey, das ist eine weitere wertvolle Erkenntnis«, sagte ich. »Langsam und entspannt ist besser.«
»Haben wir das vorher nie besprochen?«, wunderte sich Annie.
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Und, bist du der gleichen Meinung?«, fragte sie.
»Nö.«
Stille. Ein schief gelegter Kopf. »Im Ernst?«
»Versteh mich nicht falsch, mir gefällt langsam und entspannt auch,
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