100 Tage Sex
heimkam, hatten mich die Kinder zwei Stunden nonstop auf Trab gehalten - an sich keine bemerkenswerte Zeitspanne, aber auch nicht gerade die perfekte Erholung nach einem anstrengenden Tag im Büro. Es war etwa halb neun, und ich wollte nur noch eins: schlafen. Nicht mit Annie, sondern einfach nur ins Bett steigen, Licht löschen und die Augen schließen. Der Viagra-Beutel? Stand bereit. Es hätte mich
nicht überrascht, wenn beim Aufmachen der Schublade ein goldener Schein hervorgequollen wäre, der den Raum mit gleißendem Licht erfüllte.
»Was für ein Abend!«, stöhnte ich und erzählte Annie von Überschwemmung und Tränen. Ich war nicht mehr wütend auf sie - der Zorn hatte nach dem Smoothie-Desaster nur ein paar Minuten angehalten -, aber ich platzte auch nicht gerade vor Verlangen. Ich trug den »sexy« Pyjama und den Großer-Gatsby-Morgenrock, die Annie so mochte. Annie schlüpfte in neue Reizwäsche, die sie im Schlussverkauf im Supermarkt für 3,98 Dollar erstanden hatte, und kletterte neben mir ins Bett.
»Ich habe mal eine Frage«, verkündete sie.
»Schieß los«, antwortete ich und dachte, es würde um Wochenendpläne, bevorzugte Kaffeemarken oder Ähnliches gehen.
»Soll ich dir einen blasen?«
»Dieses ganze Sich-Mühe-Geben gefällt mir«, antwortete ich.
Meine Lust erwachte sofort. Ich saß da und genoss, bis ich es nicht mehr aushielt.
»Du bist dran«, sagte ich. Wir tauschten Position.
Ich holte Fußmassage-Lotion aus dem Badkästchen, goss sie mir in die Hände und begann, an ihren Zehen zu ziehen, meine Knöchel in ihre Sohlen zu drücken und ihre Fersen zu kneten.
»Ja«, stöhnte sie immer wieder. »JA!«
»Liebesball?«, fragte ich.
»Unbedingt«, antwortete Annie, zog den Hüpfball ans Bett und setzte sich drauf. Und so hüpften wir. Mittendrin schob ich sie vom Ball auf die äußerste Bettkante.
»Wunderbar«, keuchte ich.
Danach tauschten wir uns über die neue Stellung aus.
»Sie gab mir einen tollen Winkel«, sagte ich. »Besten Zugang. Wie ein VIP-Eingang.«
»Wir haben vierzehn Jahre Sex gebraucht, um das herauszufinden«, sagte Annie. »Unglaublich, dass wir nie Bettkanten-Sex hatten. Warum eigentlich nicht?«
»Der Marathon bringt’s«, sagte ich.
»Frauen laufen nicht den ganzen Tag herum und schauen sich SCHWÄNZE an!«
Die Leserin, die mich da über Voicemail ankreischte, wollte sich über meinen Handyporno-Artikel beschweren. Sie konnte nicht fassen, dass es so was wirklich gab. Sie konnte nicht akzeptieren, dass manche Leute tatsächlich dafür bezahlten, sich Pornos aufs Handy laden zu dürfen. Im Lauf ihrer endlosen, wirren Tirade hatte sie das Wort »Schwanz« aber mindestens zwanzigmal verwendet. Sie genoss den Klang offensichtlich, ließ ihn sich lustvoll auf der Zunge zergehen. Ich liebte solche Nachrichten, wie man sie als Journalist gelegentlich bekommt. Manche rufen an, um dir Fehler aufzuzeigen (sehr unbeliebt), mache rufen an, um jedes einzelne Wort deines letzten Artikels zu preisen (schon besser!), und dann gibt es noch die Spinner. Ich mag Spinner. Mir gefällt, wenn Leute anders sind.
Von meinem morgendlichen Walzer mit der Exzentrikerin aufgeheitert, sprang ich ins Auto und fuhr nach Boulder, wo ich für eine Story einen Experten für luststeigernde Kräuter traf. Als ich dort ankam, fühlte ich mich wie in einer Kinolandschaft: Wolken und Nebel umwaberten das
putzige Städtchen, dahinter türmten sich die Flatirons, eine Felsformation, die aussieht wie aufrecht stehende altmodische Bügeleisen. Aus der Ferne wirkte das Ganze wie direkt aus Herr der Ringe , wie ein Zauberreich mit Hobbits und strohgedeckten Häusern. Dann erreichte ich das verschneite Dorf und fuhr direkt zum - völlig drachenfreien - Bürokomplex, in dem der Kräuterexperte arbeitete. Der Mann, den man aufgrund seines Berufs auch als Druiden bezeichnen könnte, begann die Unterhaltung damit, über die amerikanischen Essgewohnheiten herzuziehen.
»Hier liegt die Wurzel der meisten Gesundheitsprobleme«, grummelte er.
Ich berichtete ihm, die Idee mit den Kräutern sei mir auf der Pornomesse in Las Vegas gekommen, wo sie einem von allen Seiten angeboten würden. Daraufhin schimpfte er über Pornografie, bis wir schließlich zum eigentlichen Thema kamen: Sex, Kräuter und »erektile Dysfunktion«. Der Experte erläuterte, das Ejakulat enthalte viel Zink, falls man also viel ejakulieren wolle, müsse man viel Zink zu sich nehmen.
Dieser Typ, dachte ich mir, könnte mir
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