1000 - Das Schwert des Salomo
Shao.
»Ja, das stimmt. Nun ist sie erschienen und hat John gewarnt. Ich habe sie ja erlebt. Einige Wochen liegt das nur zurück. Das war im November oder im Oktober. Ich hatte zwar weniger mit ihr zu tun, John aber dafür um so mehr, ebenso seine Eltern. Da hat die Totenfrau bereits eine Vorwarnung ausgesprochen.«
»Rechnest du damit, daß die Prophezeiung eintreten wird?«
»Leider.«
»Also der Tod der Eltern.«
Suko sprach es nicht aus. Er wollte sich die Antwort sparen, aber seine Blicke sprachen Bände. Shao merkte, daß er sehr wohl damit rechnete. Sie wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer kippen und hielt deshalb den Mund.
Suko setzte sich auf den Stuhl. Er hatte Sir James im Club anrufen wollen, und das tat er jetzt. Gewisse Telefonnummern hatte er im Kopf. Es war auch nicht besetzt, der Ruf ging durch, und es hob jemand ab.
Suko ließ den Angestellten mit der nasalen Stimme erst ausreden, dann sprach er seinen Wunsch aus.
»Sir James möchten Sie sprechen, Mister? Ich weiß nicht, die Gentlemen sitzen beim Dinner zusammen und…«
»Es ist wichtig.«
Der Knabe räusperte sich. »Sie wissen sicherlich, daß wir hier ein Club sind und…«
»Hören Sie!« Suko unterbrach ihn. Selbst er verlor jetzt die Geduld. »Ich bin Inspektor bei Scotland Yard, und jetzt holen Sie mir meinen Chef! Sie können sich bestimmt vorstellen, daß ich nicht zum Spaß anrufe. Ist Ihnen das klar?«
»Sicher.«
»Ich warte.« Suko verdrehte die Augen, als er Shao anschaute.
»Das ist da vielleicht ein blasiertes Volk. Furchtbar, kann ich da nur sagen.« Er schüttelte den Kopf.
Lange brauchte Suko nicht zu warten. Sir James war sicherlich nicht erst geholt worden, man hatte ihm ein Handy gereicht. Als er sich meldete, hörte Suko im Hintergrund das Klappern irgendwelcher Bestecke. Das Geräusch allerdings nahm ab, je weiter sich der Träger des Telefons davon entfernte.
»So, Suko, jetzt können Sie reden.«
»Erst mal guten Abend, Sir. Verzeihen Sie, daß ich Sie gestört habe, aber ich denke, es ist wichtig.«
»Vergessen Sie es. Um was geht es?«
»Um die Sinclairs.«
Pause. Suko konnte sich vorstellen, daß sein Chef große und rote Ohren bekam. Mit etwas gedehnt klingender Stimme stellte er die nächste Frage: »Hörte ich richtig, Suko? Haben Sie von den Sinclairs gesprochen? Also im Plural?«
»Stimmt.«
»Nennen Sie mir den Grund.«
Den hatte ihm Suko in kurzer Zeit erklärt, und Sir James gab zunächst keine Antwort. Schließlich meinte er jetzt sprach er mit leiserer Stimme: »Eigentlich ist dieser Fall einer, der nur John Sinclair angeht, wobei ich nur am Rande fungiere, aber eingeweiht bin, denn John konnte ja nicht einfach so verschwinden. – Er hat also seinen Vater von Chartres aus angerufen?«
»Das hat er, Sir.«
»Dorthin mußte er. Abbé Bloch rief ihn an. Ich will die Dinge nicht dramatisieren und von einem Geheimauftrag sprechen, aber in diese Richtung läuft es möglicherweise. Ich werde Ihnen jetzt sagen, was ich weiß, Suko, und das ist herzlich wenig. John ist in diese Stadt bestellt worden, weil er in der dortigen Kathedrale jemanden treffen soll. Einen Mann, einen Mönch, glaube ich. Angeblich soll John dort etwas über den Verbleib eines großen Geheimnisses erfahren, das zu den größten der Welt zählt. Was es konkret ist, darüber hat sich der Abbé nicht ausgelassen. Es gibt also Raum für Spekulationen.«
»Was denken Sie denn, Sir?«
»Fragen Sie lieber, was John gedacht hat.« Sir James lachte leise.
»Auch nicht viel. Er hat es hingenommen.«
Das wollte Suko nicht glauben. »Ohne einen Verdacht gehabt oder geäußert zu haben?«
»Nun ja, den gab es schon. Aber er ist vage, sehr vage…«
»Schon einmal haben wir uns für die Kathedrale interessieren müssen, Sir.«
»Richtig. Daran haben John und ich auch gedacht, und so wurde die Spekulation etwas konkreter.«
»Die Bundeslade?« Sukos Stimme hatte bei dieser Frage leicht gezittert, denn er wußte selbst sehr gut, was hinter dieser Frage steckte.
Sir James räusperte sich. So hatte er sich selbst Zeit zum Nachdenken gegeben. »Darauf läuft es möglicherweise hinaus, wenn ich mich nicht irre.«
Der Inspektor schwieg. Shao, die sich dicht neben ihn gestellt und zugehört hatte, war sichtlich bleich geworden in Anbetracht dieser Information. »Ich hatte es mir gedacht, Sir«, gab Suko zu. »Ja, ich hatte es mir schon gedacht.«
»John muß irgendwie unmittelbar betroffen sein«, gab der Superintendent zu.
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