1000 - Das Schwert des Salomo
denen Moses die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten aufbewahrte?«
»So muß es sein.«
»Dann erzähl mir mehr darüber bitte. Was weißt du? Vielleicht gibt es Unterschiede zwischen dem, was wir aus unseren Religionen erfahren haben.«
Angares holte tief und geräuschvoll Luft. »Du weißt, daß es der Herrgott selbst war, der die beiden Tafeln beschriftete und sie anschließend Moses übergab, der sie dann in die Lade legte. Die Israeliten haben sie damals auf ihrer langen Wanderung ins Gelobte Land mitgenommen, denn sie war für das Volk das Zeichen des Sieges. Schließlich fand sie ihren Platz. Es war der Tempel von Jerusalem, den der König Salomo dort hatte bauen lassen. Später verschwand sie dann aus dem Tempel und wurde nach Äthiopien gebracht.«
»Ja, das ist mir bekannt, und es ist auch indirekt mit einer Legende verbunden. So soll die sagenumwobene Königin von Saba, die äthiopische Monarchin, nach Jerusalem zu König Salomo gekommen sein, von dem sie auch ein Kind empfing, das später die Lade geraubt haben soll…«
»Du meinst Melenik.«
»Ja, ihn meine ich.«
Der Mönch seufzte. »Melenik ist eine schillernde und tragische Figur. Als er von seiner Mutter erfuhr, wer sein Vater war, da reiste er unverzüglich zurück nach Israel. Das geschah, als er zwanzig Jahres alt war. Man erkannte ihn sofort, und man zollte ihm, dem Sohn des Königs, Ehre. Aber die Menschen beklagten später auch, daß Salomo seinem Sohn zuviel der Gunst erwies, und man drängte darauf, daß dieses uneheliche Geschöpf wieder zurück nach Äthiopien sollte. Salomo akzeptierte das, bat sich aber eine Begleitung aus. Die erstgeborenen Söhne der Hohenpriester sollten zu seinen Begleitern werden, was auch geschah. Dazu zählte auch Azarius, der Sohn des höchsten Hohenpriesters. Und es war nicht Melenik, sondern er, der die Lade aus dem Tempel gestohlen hat. Erst später, als sie weit von Jerusalem entfernt waren, erfuhr Melenik die Wahrheit. Er wunderte sich, aber er sah von einer Bestrafung des Azarius ab, denn er ging davon aus, daß sich niemand ohne die Duldung des Allerhöchsten an der Lade hätte vergreifen können. So wurde entschieden, daß sie in Äthiopien bleiben sollte. Seitdem befindet sie sich in diesem Land.«
Diesmal atmete ich scharf aus. Einige Dinge waren mir bekannt gewesen. Es fiel mir auch schwer, sie zu akzeptieren, und ich sagte leise: »Du glaubst, daß diese Legende der Wahrheit entspricht?«
»Es ist Geschichte, keine Legende, John Sinclair.«
»Was macht dich so sicher?«
»Weil ich zu denjenigen gehöre, die diese Lade bewacht haben. Sie ist immer bewacht worden, über lange, lange Jahre hinweg. Ich habe bereits meinen Nachfolger bestimmt, der sie jetzt bewacht, denn ich weiß, daß ich nicht zurückkehren werde in das Land meiner Väter. Es ist nicht einfach, einen Nachfolger zu finden, denn derjenige, der die Lade bewacht, muß eine große Liebe zu Gott aufbringen, auch die Reinheit des Herzens haben sowie Mut und Verstand haben.«
»Ja«, sagte ich, »das glaube ich dir. Und du kennst die Lade?«
»Natürlich.«
»Wer noch?«
Ich sah, wie Angares den Kopf schüttelte. »Es ist nur dem Wächter gestattet, sie zu sehen, John, keinem anderen sonst, nur ihm. Deshalb muß dieser Hüter auch über die aufgezählten Eigenschaften verfügen.«
»Das ist natürlich schlecht«, murmelte ich.
»Wieso?«
»Das bedeutete ja, daß die Lade nie aus ihrem Versteck hervorgeholt wird, oder?«
Meiner Frage folgte ein sehr langes Schweigen, allerdings von einem sehr genauen Beobachten der dunklen Augen begleitet. Ich wußte, daß ich mit meiner Frage etwas angestoßen und aus der Ruhe gebracht hatte, aber ich wollte nicht ungeduldig sein und darauf warten, daß mir der Mönch persönlich die Antwort gab.
»Es hat so sein sollen, aber es war nicht immer so«, gab er zu. »An hohen Kirchenfesten wurde die Lade gezeigt und umhergetragen.«
»Wurde oder wird?«
»Du willst alles wissen, wie?« Ich sah, wie der Mund ein feines, verständnisvolles Lächeln zeigte.
»Ja, das will ich.«
»Gut.« Angares nickte. »Ich weiß, daß ich dir vertrauen kann und sage dir deshalb, daß sie auch heute noch aus dem Versteck herausgeholt und getragen wird. Einmal im Jahr findet die Prozession statt, zu einem Fest, das Timkat heißt.«
»Wann findet es statt?«
»Im Januar.«
Ich schrak zusammen und sah plötzlich einen ersten großen Zusammenhang, denn wir hatten Januar. »Dann könnte ich sie ja jetzt in
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