1.000 Euro für jeden
Verteilungsspielräume.«
Der konservative Historiker Paul Nolte begründet in einem Aufsatz über neue Sozialpolitik, dass man der spezifisch deutschen Ausprägung des Sozialstaats keineswegs nachtrauern müsste, die »in erstaunlicher nationaler Verengung und Borniertheit,die Lösungen unserer Nachbarn kaum zur Kenntnis nimmt«. Er erinnert an ihre unverkennbaren Ursprünge im kaiserzeitlichen Obrigkeitsstaat, der ein patriarchales Familien- und Erwerbsmodell hervorgebracht und schon immer ganze Gruppen von der solidarischen sozialen Verantwortung entbunden hatte, allen voran die Beamten und Selbständigen. Deshalb seien unsere Sozialversicherungssysteme »längst nicht mehr gerecht, sondern produzieren inhärent gesellschaftliche Ungerechtigkeit«.
Grundeinkommen – Ausweg aus dem demographischen Dilemma
Der Raum für Eigeninitiative ist versperrt durch zentralisierte Überregulierung, durch Unbeweglichkeit, die nicht auf individuell gedachte Bedürfnisse und Wege eingehen kann und will. Auch hier leben wir in einem Zwischenraum: Wir werden nicht mehr genügend vom Vater Staat versorgt und können noch nicht andere – eigene – Wege beschreiten. Uns fehlen noch die Voraussetzungen, uns zwischen Fürsorge und Selbstorganisation bewegen zu können.
Ein Grundeinkommen – tausend Euro für jeden – ist die denkbar beste Möglichkeit, uns aus diesem Dilemma zu befreien. Es schafft die Voraussetzungen, sich selbst zu organisieren, um das in Angriff zu nehmen, was seit gefühlten 200 Jahren von Frauen thematisiert wird: Wenn wir wirklich mehr Kinder haben wollen, dann müssen wir die gesellschaftlichen Bedingungen dafür ändern. Punkt.
Und es ist leicht vorstellbar, wie sich die zäh verhandelten Fragen zu Kindergartenplätzen, Bildung und Ausbildung ändern würden. Die Eltern würden handeln. Und es könnte endlich darum gehen, den Freiheitsraum von Kindern und Müttern und Vätern gleichermaßen zu stärken.
Wir haben in einem früheren Kapitel aufgezeigt, dass ein möglicher Weg zur Einführung des Grundeinkommens der sein könnte, mit den Gruppen zu beginnen, die in unserer Gesellschaft von Armut am stärksten gefährdet sind: Kinder, Jugendliche und Alte.
Mit dem Kinder-Grundeinkommen könnten Eltern den Kita-Platz mitfinanzieren und würden dadurch gewiss die Inhalte stärker mitbestimmen und damit eine Tendenz verstärken, die wir in den letzten Jahren beobachten: Eltern mischen sich kräftig in die Weiterentwicklung der Kitas ein.
Mit einem Jugendlichen-Grundeinkommen könnten leichter Ausbildungsplätze finanziert werden, denn die Jugendlichen würden ja einen Teil des Geldes mitbringen, so dass viele kleine und junge Betriebe, die sich heute nicht erlauben können, einen Ausbildungsplatz zu stellen, und deshalb nur unbezahlte Praktikumsplätze vergeben, diese Möglichkeit hätten.
Ein Alten-Grundeinkommen würde die Rentendiskussion auf eine völlig neue gesellschaftliche Ebene heben und der teils menschenverachtenden Diskussion den Boden entziehen. Wer dann in Rente ginge, bekäme grundsätzlich wie alle das Grundeinkommen – es sei denn, er hat private Rücklagen gebildet, um seinen bisherigen höheren Lebensstandard aufrechterhalten zu können. Die Sicherung von Wohlstand gehört schließlich nicht zu den Kernaufgaben der Gemeinschaft.
Ein Alten-Grundeinkommen würde einiges an Ungerechtigkeit kompensieren: etwa die, die gerade alten Frauen widerfährt, die Opfer der Ideologie wurden, dass Frauen zu Hause bleiben sollten, um die Kinder aufzuziehen und dafür im Alter nur beschämende Cent-Beträge angerechnet zu bekommen.
All dies würde dazu führen, dass der Sozialstaat auf eine neue – realistische – Grundlage gestellt würde: Das Grundeinkommen ist die Antwort der Gegenwart auf eine Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens.
Dieser radikale Paradigmenwechsel braucht das Vorstellungsvermögen und die aktive Gestaltung vieler und unterscheidet sich genau darin von der heutigen Auffassung von Sozialstaat, der auch zu seiner Blütezeit Passivität erzeugte, weil er nach der Formel aufgebaut ist: »Alle werden irgendwie versorgt, müssen dafür aber hinnehmen, verwaltet zu werden.« Richard Sennett nannte diesen Zustand einen »Ammenstaat«, der Eigeninitiative und Individualität erstickt, ohne die aber bekanntlich die Weiterentwicklung von Gesellschaft unmöglich ist.
Frauen und Männer – neue Rollen,
alte Widerstände
In Bezug auf die Geschlechterrollen hat sich die
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