1.000 Euro für jeden
Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten immerhin etwas bewegt. Heute nimmt die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel in der sogenannten »Kopftuchdebatte« eine eindeutige Positionein: Die von der Religion geforderte Verhüllung wird eher als ein Symbol für die Unterdrückung islamischer Frauen durch ihre Männer wahrgenommen – dass sich muslimische Frauen zum Teil auch (selbst-)bewusst für das Tragen eines Kopftuchs entscheiden, sie diesen Schutz suchen, spielt in der Debatte noch eine untergeordnete Rolle. Dabei liegen die Zeiten des gesetzlichen Patriarchats in Deutschland noch gar nicht so lange zurück. Noch bis Ende der 1970er Jahre mussten in Deutschland Frauen nach den Bestimmungen des BGB ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen, bevor sie einer beruflichen Tätigkeit nachgehen konnten. Erst 1977 wurde die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe aufgehoben, die den Männern erhebliche Entscheidungsrechte sicherte – auch was die Kindererziehung anging. Bis dahin galt: Die Frauen machen die Arbeit, aber die Männer entscheiden, welche.
In Bayern mussten Lehrerinnen noch in den 1950er Jahren ihren Beruf aufgeben, wenn sie heirateten. Über die Finanzen entschied allein der Mann, auch über das Geld, das die Ehefrau verdiente. Frauenfußball, der in den 1920er Jahren ausgesprochen populär war, wurde vom DFB 1955 offiziell verboten. Erst 1970 hob der Verband das Frauenfußballverbot wieder auf. Ab Ende der 1980er Jahre begann eine Siegesserie der Frauennationalmannschaft mit sieben gewonnenen EM-Titeln und zwei errungenen Weltmeisterschaften – die Frauen heimsten deutlich mehr Erfolge ein als die Männer. Es entbehrt nicht der Komik, dass die Sportlerinnen für den ersten EM-Titel 1989 als Siegprämie ein Kaffeeservice erhielten.
Die relative Gleichstellung von Frau und Mann hat sich nicht einfach eingestellt, sie wurde in zähen und oft zermürbenden Auseinandersetzungen der Feministinnen erkämpft, denenim Grunde auch zu verdanken ist, dass die etablierte Politik vor kurzem die Elternzeit, die eben auch Vaterzeit bedeutet, einführen musste – ein weiterer Grund waren die veränderten Bedürfnisse der Väter.
Die heutigen Väter haben von den starken Müttern in den 1970er bis 1990er Jahren gelernt, dass die Beschäftigung mit Kindern nicht weniger erfüllend sein muss als die Arbeit an der Karriere – und müssen nun mit Vorurteilen aus den eigenen Reihen kämpfen.
Im Handelsblatt wird etwa ein Manager mit den Worten zitiert: »Deutschland wird nur erfolgreich sein, wenn seine Köpfe frei sein können und sich nicht um die Kinderbetreuung sorgen müssen.« Das kann man nicht gerade als eine Einladung an Väter lesen, ihre Kinder für eine gewisse Zeit selbst zu betreuen.
»Oftmals klaffen, besonders in großen Konzernen, die in Leitbildern formulierten Ansprüche und die Wirklichkeit noch weit auseinander«, resümieren die Wissenschaftlerinnen Helga Lukoschat und Kathrin Walther das Ergebnis ihrer Studie »Karrierek(n)ick Kinder« für die Bertelsmann-Stiftung. Alle Befragten hatten mit Widerständen und Vorurteilen zu kämpfen und taten sich schwer, ihre privaten und beruflichen Ambitionen unter einen Hut zu bekommen.
Väter, die aus der alten Rolle aussteigen wollen, scheitern in ihren Unternehmen oft an einer männerbündischen Arbeitskultur, heißt es auch im Familienbericht der Bundesregierung 2007. Daran haben auch die jüngst eingeführten »Vätermonate« wenig geändert. Hier billigt der Staat jungen Familien zwei Monate länger Elterngeld zu, wenn der Mann mindestens zwei Monate lang die Kinderbetreuung übernimmt. Immerhin hat jeder zehnte Vater, in Berlin sogar jeder achte, einenAntrag auf verlängertes Elterngeld gestellt. Unter dem Titel »Ich bin ein afrikanisches Dorf« gibt der Architekt und Interventionist Benjamin Foerster-Baldenius Einblick in die Auswirkungen des Elterngeldes, das ja ein Grundeinkommen ist – mit der einzigen Bedingung der Elternschaft:
»Mein monatliches Elterngeld entspricht einem Achtel des Bedingungslosen Grundeinkommens, das an das gesamte Dorf Otjivero in Namibia ausbezahlt wird. Dort bezog jeder Bewohner zwei Jahre lang eine Basic Income Grant (BIG) von 100 Namibia-Dollar. (Von diesem Dorf werden wir im nächsten Kapitel ausführlich berichten. Anm. d. Verf.) Von Otjivero erfuhr ich durch Adrienne Goehler bei einer kleinen Diskussionsveranstaltung in Berlin. Ich selbst beziehe seit Juni 2010 für 12 Monate ein
Weitere Kostenlose Bücher