Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1.000 Euro für jeden

Titel: 1.000 Euro für jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Adrienne; Werner Goehler
Vom Netzwerk:
aus Kalomo zurückgezogen, die Zukunft des Projektes ist daher ungewiss.
    Bolsa Família – Grundeinkommen
für die Ärmsten in Brasilien
    Eines der umfassendsten Social-Cash-Transfer-Programme der letzten Jahre wurde in Brasilien gestartet: Unter dem Titel »Bolsa Família« wurde mit dem Regierungsantritt der sozialistischen Regierung unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in den ärmsten Regionen des Landes ein Familienstipendium eingeführt. Dieses wird gewährt, wenn das Familieneinkommen – nachweislich – nicht höher als 120 brasilianische Reais ist: etwa fünfzig Euro im Monat. Von den 182 Millionen Einwohnern haben seit 2003 etwa 12,8 Millionen Familien diese Art von Grundeinkommen bekommen, das eben an eine Bedürftigkeitsprüfung gekoppelt ist und keinerlei Rechtsanspruch der etwa 52 Millionen Personen begründet, die in Brasilien als bedürftig gelten. Langfristig ist das Ziel, allen Familien ein Grundeinkommen auszuzahlen.
    Familie ist – laut den Regeln der Bolsa Família – definiert als Personmit Kind, egal ob Mutter, Vater, Onkel oder Großmutter oder alle zusammen: Pro Familie gibt es für jedes Kind unter 16 Jahren 18 brasilianische Reais, allerdings nur bis zum dritten Kind, sowie dreißig Reais pro Jugendlichem, allerdings nur für maximal zwei, plus – wenn das Einkommen der Familie unter sechzig Reais liegt – noch mal pauschal 58 Reais. Durch diese Beschränkung der Anzahl der Personen will man verhindern, dass das Stipendium ein Anreiz zum Kinderkriegen wird. Eine bedürftige Familie mit einem Kind bekommt demnach 76 Reais im Monat; eine Großfamilie maximal 172; die Lebenserhaltungskosten einer Person betragen 150, der Mindestlohn liegt bei 350 Reais im Monat.
    Die Bolsa Família ist zudem an Bedingungen geknüpft. So besteht eine Verpflichtung zur Teilnahme an Impfungen, ärztlichen Untersuchungen und an Kursen im Falle von Analphabetismus bei Erwachsenen. Für die Kinder besteht Schulpflicht. Bei Bedarf wird das Stipendium lebenslang gewährt.
    Die Kosten für den Staat sind gering. Im Staatshaushalt sind acht Milliarden Reais für diesen Sozialtransfer eingeplant, das sind 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Allein die Zinsen für die Auslandsschulden Brasiliens betragen zurzeit das Zwanzigfache, nämlich etwa 160 Milliarden Reais.
    Der Erfolg ist sehr beachtlich, wenn auch nicht beruhigend: Die absolute Armut sank kontinuierlich von einem Anteil von 34 Prozent vor 2002 auf 23 Prozent im Jahr 2005. Gleichzeitig entstanden seit 2003 mehr als eine Million neuer Jobs pro Jahr, davon zwei Drittel reguläre Beschäftigungsverhältnisse und ein Drittel informelle. Dies hatte immense Auswirkungen auf die Belebung der lokalen Wirtschaft, unter anderemdurch den Anstieg der Löhne. Arbeiten mit unwürdiger und illegaler Bezahlung muss nun niemand mehr aus Existenznot annehmen, weil das Familienstipendium die Verhandlungsposition stärkt, sich mit ihm auch die Mobilität erhöht, die Arbeitenden flexibler geworden sind. Begleitende wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass zehn Prozent des Grundeinkommens für Transportkosten ausgegeben werden: Wer bislang nur in der zu Fuß erreichbaren Farm arbeiten konnte oder eben gar nicht, steigt jetzt in den kostenpflichtigen Bus und fährt zu einer Farm, die höheren Lohn zahlt.
    Von einem echten Grundeinkommen ist die Bolsa Família noch weit entfernt. Einmal, weil das Kriterium der Bedürftigkeit willkürlich ist und auch die Regionen von der Regierung ausgewählt werden. Und weil das Stipendium nicht bedingungslos vergeben wird, ist das Programm mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden: Manche Familien sind schon mit der Antragstellung überfordert, manche Behörden lassen sich eine kleine Summe Reais zustecken oder sparen sich die Prüfung ganz. Deswegen fallen immer viele Familien aus dem Programm heraus – auch dann, wenn sie objektiv den Kriterien entsprechen. Politisch hat das zu einem vorsichtigen Umdenken bei der Regierung geführt. Götz Werner bat im Juni 2007 den befreundeten Senator Euardo Matarazzo Suplicy, dem brasilianischen Präsidenten sein erstes Buch über das Grundeinkommen und eine Einladung nach Deutschland zu überbringen, was der auch prompt erledigte. In Anwesenheit von Außenminister Celso Amorim überreichte der Senator das Buch, und Präsident Lula da Silva antwortete: »Eduardo, noch drei Jahre Wirtschaftswachstum, und dann machen wir das!«
    2004 unterschrieb Lula ein

Weitere Kostenlose Bücher