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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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Wir sahen uns nur lächelnd an, und wussten genau, wie es dem anderen gerade ging. Ein so tiefes Verständnis ohne Worte hatte ich noch nicht erlebt.
    Sehr langsam kamen wir wieder auf den Weg. Monica grinste neben mir her.
    „So etwas Schönes habe ich auf dem Camino noch nie erlebt“, sagte sie und ich konnte nur mit einem Nicken zustimmen. Monica setzte wieder zu ihrem strammen Wandertempo an und entfernte sich einige Meter von mir. Ich hatte oft den Eindruck, dass sie das tat, um alleine zu sein und nachzudenken. Das tat ich auch.
    Wenn es hier auf dem Jakobsweg immer so zuging, wenn man hier immer so liebe, herzliche Menschen kennen lernt, und mit ihnen so besondere Momente erlebt, dann musste mir aber mal jemand einen Grund nennen, den Jakobsweg wieder zu verlassen. Und ich war erst den neunten Tag unterwegs.

    In einem Ort namens Cirauqui fanden wir Toni vor einer kleinen Kirche, der Iglesia San Roman. Vor der Kirche befand sich eine mannshohe Statue mit einer Art Bischofsmütze auf einem Sockel. Diese Figur hatte es Toni angetan. Er wollte unbedingt von uns neben der Figur auf dem Sockel fotografiert werden. Ich erkannte, dass wohl nicht jeder in unserer Gruppe religiös veranlagt war, denn auch die anderen machten sich einen Spaß aus der Aktion. Außer Monika. Sie wandte sich ab und wartete auf dem Hauptplatz auf uns. Toni stand auf dem Sockel und ahmte die Geste der heiligen Figur nach. Mir wurde nun auch unwohl.
    Es handelte sich um ein kirchliches Relikt. Diese Figur bedeutete ganz sicher etwas Besonderes und ich dachte darüber nach, was wohl die Einwohner dieses Ortes denken würden, wenn sie das sehen könnten. Wir waren allerdings alleine hier. Toni setzte dem Heiligen jetzt auch noch seine Sonnenbrille auf, was zugegebener maßen wirklich cool aussah. Aber nun weigerten sich auch die anderen, hier noch mit zulachen und machten sich wieder auf den Weg.
    Monica zog mich regelrecht hinter sich her und so erreichten wir am späten Nachmittag unser Tagesziel Estella und steuerten gleich die erste Pilgerherberge an. Wir wollten für uns und den Rest der Gruppe die Betten klarmachen. Aber die Herberge war voll. Die nächste im Ort hatte gerade mal noch drei Betten frei.
    Monica telefonierte mit den anderen, die den Ort noch gar nicht erreicht hatten. Sie wollten sich Zeit lassen und eine andere freie Herberge suchen. Also quartierten wir uns hier ein. Wir bekamen einen Raum mit nur vier Betten, reiner Luxus. Ein Bett war belegt, aber es war niemand in dem Zimmer. Ich wollte so schnell wie möglich unter die Dusche und Monica suchte eine Gelegenheit, unsere verschwitzte Wäsche zu waschen. Unsere — ja! Was für ein Tag.
    Nachdem ich wieder ins Zimmer kam, unterhielt sich Monica mit unserem Zimmergenossen, einem jungen Holländer. Er war mit dem Fahrrad unterwegs und wollte von Monica wissen, welchen Weg er denn von hier aus am besten nehmen solle. Sie konnte ihm da nicht ganz helfen und warf mir einen etwas verwunderten Blick zu. Ein Holländer mit dem Rad in Spanien unterwegs und weiß den Weg nicht — kann es ein härteres Schicksal geben? Auf dem Weg in den Ort versuchte ich Monica die Vorurteile der Deutschen gegenüber den Holländern zu erklären. Ich sprach von Fußball, Frau Antje, rollendem Käse und Wohnwagenkolonnen und sie kam bis in die Altstadt von Estella nicht mehr aus dem Lachen heraus.
    Als wir am Hauptplatz ankamen, schritten wir mitten durch eine Hochzeitsgesellschaft, die sich vor der Kirche aufgebaut hatte. Wir passten mit unserer leichten und lässigen Pilgerausgehkleidung mit Schlappen an den Füssen nicht so wirklich zu den fein gemachten Hochzeitsgästen. Unter ohrenbetäubenden Böllerschüssen, die von einem Regen von buntem Konfetti begleitet wurden, kam das Brautpaar aus der Kirche — direkt auf Monica und mich zu. Jetzt spurteten wir aber aus der Menge heraus und suchten uns ein ruhiges Café am Rande des Platzes.
    Es war kurz nach halb sechs Uhr und ich hatte einen riesen Hunger. Aber das sollte man in Spanien zu dieser Zeit nicht haben. Estella war eine mittelgroße Stadt — nur daran sollte es nicht liegen. Die Spanier pflegen eine sehr eigenwillige Esskultur. Im Prinzip kann man sagen, dass sie im Gegensatz zu uns Deutschen alle Mahlzeiten um etwa zwei bis drei Stunden nach hinten schieben. Frühstück um fünf oder sechs Uhr? Vergiss es!
    Ab neun Uhr kannst du deinen ersten Kaffee haben. Mittag erst ab vierzehn Uhr und folglich gibt es abends erst ab zwanzig Uhr

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