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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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einem Obstladen vorbei und beschloss, mich mit frischen Vitaminen einzudecken. Ich schaute mich um und entdeckte — Heike.
    „Was machst du denn hier?“ war meine blöde Frage, die ich sofort bemerkte, „klar, Obst kaufen.“ Heike grinste und erzählte, dass der Rest ein paar Meter weiter oben im Ort eine Pause machte. Sie waren als Gruppe nicht wirklich schnell gewesen. Alleine kommt man meistens schneller voran, erst recht, wenn einem ein paar Kilo Last genommen waren. Wir kauften Obst ein und gingen zusammen eine enge, steile Gasse hinauf, an deren Ende wir von der Gruppe lautstark begrüßt wurden.
    Obwohl wir uns erst vor gut fünf Stunden voneinander verabschiedet hatten, war es wie eine kleine Wiedersehensparty. Wir beschlagnahmten eine kleine Holzbank und hatten gemeinsam ein wunderschönes Mittagsmahl. Jeder stellte sein Essen oder Trinken in die Mitte der Runde und alle bedienten sich durcheinander. Ich schaute in die Runde — hier saßen richtige Freunde zusammen.
    Die beiden Schwestern kamen an uns vorbei und grüßten mich nett. Monica schaute mich fragend an, doch ich zuckte nur mit den Schultern. Heike wollte wissen, wie es nun mit dem leichteren Rucksack für mich sei.

    „Ein riesiger Unterschied“, sagte ich, „ich bin auf ebener Strecke jetzt sehr schnell, was ihr ja wohl gemerkt habt, denn ich hab euch ja eingeholt.“ Als wir aufbrachen, deutete Monica wortlos auf meinen Pilgerstab.
    „Bruno“, sagte ich leise und sie nickte lächelnd.
    Der starke Wind von heue morgen hatte sich verzogen. Die grauen Wolken wichen immer mehr blauen Flecken am Himmel und es wurde wärmer. Die Gruppe zog sich etwas auseinander und Pärchen bildeten sich. Ich ging zusammen mit Monica. Das heißt, ich ging ihr hinterher. Sie war mir irgendwie immer einen Schritt voraus.
    Das Wetter wurde richtig angenehm. Das Leben bestand aus wandern. Immer in eine Richtung durch eine hügelige Landschaft mit Getreide- und Weinanbau. Jeder schritt in seinem Tempo voran, und dieses Tempo schien für die ganze Gruppe in etwa gleich zu sein. Wir verloren uns den ganzen Tag nicht aus den Augen. Immer wieder trafen wir uns während einer Pause oder an einem besonders schönen Ort, um zu verweilen.
    „Dass das Leben so unbeschwert sein kann“, dachte ich mir, „ hätte ich nie gedacht.“ Es war eine traumhafte Erfahrung.

    Als wir mal wieder alle beisammen wanderten, stimmte Monica ein spanisches Kirchenlied an. Sie hatte eine schöne, helle und klare Stimme. Einige stimmten mit ein und ich bekam eine Gänsehaut. Es war wie eine Prozession von Freunden, die ein und dasselbe Ziel hatten und dabei den Augenblick genossen und fast schon zelebrierten.
    Wir rasteten an den zahllosen, reichlich behangenen Brombeerbüschen und gaben aufeinander acht. An einem kurzen, aber reichlich steilen Aufstieg blieb ich ein wenig zurück und schnaubte ganz ordentlich. Da entdeckte ich Heike, die auf mich gewartet hatte. Sie stand da und tat so, also würde sie mich an einem Seil zu sich hochziehen.
    Eine dieser Gesten, die wortlos geschahen und so sehr zu Herzen gingen. Nachdem ich zusammen mit Heike die anderen wieder eingeholt hatte, machten sie Rast auf dem Kinderspielplatz eines kleinen Dorfes. Toni hatte Brot, Käse und Wurst eingekauft und so setzten wir uns zu einem weiteren gemeinsamen Mahl zusammen.
    Nach dem Essen suchte sich jeder einen Platz zum Ausruhen. Heike hatte begonnen, ihrem Freund die Füße zu massieren. Toni hatte sich auf den Rand des Brunnens gelegt, seine Füße im kalten, klaren Wasser. Monica hatte auf einer Schaukel Platz genommen und wippte vor sich hin.
    Das spanische Paar zündete Räucherstäbchen an und machte über den MP3-Player des Handys Meditationsmusik an. Monica wurde jetzt auch massiert und ich setzte mich vorsichtshalber schon mal neben sie auf die noch freie Schaukel. Nach einer kleinen Weile des Schaukelns und Wippens stand dann Heike hinter mir und verpasste auch mir eine leichte Massage.
    „So oder so ähnlich muss es im Paradies zugehen“, dachte es in mir, denn bewusst konnte ich nicht mehr denken. Ein so starkes Gefühl der Zufriedenheit, ja, Liebe durchströmte mich, dass ich gar nicht reden wollte. Nur der ein oder andere Grunzlaut entwich mir. Nachdem auch Toni seine Massage bekommen hatte, wollten wir uns wieder aufmachen. Aber das fiel uns allen schwer. Dieses schwere, fast meditative Zufriedenheitsgefühl hatte die ganze Gruppe eingenommen.
    Die ganze Zeit war fast kein Wort gefallen.

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