1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
großen, massiven Hahn, aus dem Wasser quoll, befand sich doch tatsächlich ein Zweiter, der einen mit Rotwein versorgte.
„Oh Mann“, dachte ich mir, „das darfst du aber zu Hause nicht jedem erzählen. Reichlich guter Rotwein, und das auch noch umsonst.“ Vor Begeisterung vergaß ich einen Moment das Unwetter um uns herum, und ich hätte so gerne den Wein gekostet, obwohl es dafür vielleicht noch etwas zu früh am Tage war, aber irgend Jemand gönnte mir diesen Genuss nicht. Ich versuchte verzweifelt das, was da rot aus dem Hahn floss, in meine leere Wasserflasche zu füllen, aber obwohl die Öffnung der Flasche wirklich nicht groß war, floss gleichzeitig so viel Regenwasser mit in die Flasche, dass ich über die Qualität dieses Weines beim besten Willen kein Urteil abgeben konnte.
Monica tippte mich an und deutete mir, wir müssten uns in Sicherheit bringen. Wie ein verzweifelter Alkoholiker machte ich einen letzten, vergeblichen Versuch und wandte mich traurigen Blickes von der kostenlosen Rotweinquelle ab. Ein Blitz schlug nicht weit von uns entfernt mit einem markerschütternden Knall ein. Ich zuckte zusammen und mir wurde klar, dass das jetzt kein Spaß mehr war.
Wir mussten schnell weg von hier. Als wir auf den Weg zurück kamen, hatte sich das Rinnsal in einen richtigen Bach verwandelt, der uns zwang, neben dem Schotterweg, der nun nicht mehr zu sehen war, weiter zu gehen. Die Blitze zuckten jetzt so tief über uns hinweg, dass ich dachte, wir wären nun in den Gewitterwolken angelangt. Nun bekam ich Angst und Monica winkte mir einige Meter voraus, ich solle ihr folgen.
„Also, wenn ich jetzt auf dem Jakobsweg pilgernd vom Blitz getroffen werde, dann muss es jemand aber recht eilig haben, mich zu sich zu holen“, dachte ich mir und versuchte idiotischer weise mich vor den Blitzen zu ducken. Das Regenwasser tropfte nicht mehr von meiner Schirmmütze herab, es floss jetzt vor meinen Augen. Ich lief hinter Monica her, die in einem winzigen Ort scharf links abgebogen war. Nun liefen wir bergab.
Dann sah ich sie plötzlich nicht mehr. Als ich an einer Hausecke stand, zog sie mich an die Hauswand. Neben ihr standen weitere, triefende Pilger mit leidenden und ängstlichen Gesichtern. Und noch bevor ich erkannte, wo wir hier standen, hielt vor uns ein Bus. Ich schaute Monica an.
„Los — rein da“, war ihr kurzes und deutliches Statement.
„Mist“, dachte ich, „jetzt hat mich doch noch ein Bus verschluckt.“
Während der Fahrt schwiegen und trieften wir vor uns hin. Die Scheiben im Bus waren beschlagen, sodass wir fast nichts von dem Gewitter draußen sehen konnten. Monica sah sehr nachdenklich aus. Auf der einen Seite waren wir froh, aus diesem Unwetter gerettet worden zu sein. Aber -wir waren Pilger. Und — wir saßen in einem Bus. Und der brachte uns nach Torres del Rio.
An einem Fünf-Sterne-Hotel stiegen wir aus und begaben uns in das Café der Nobelherberge. So richtig erfreut waren die Angestellten dort nicht, denn wir tropften ihren schönen Holzfußboden voll. So bat man uns in einen Nachbarraum, wo wir unsere nassen Sachen ablegen konnten. Dann kam ein junger Mann in roten Anzug und stellte uns zwei Tassen Tee mit Gebäck auf den Tisch. Wir hatten noch gar nichts bestellt und so schauten wir uns verwundert an. Dann kam der Mann wieder mit zwei großen roten Handtüchern. Er sagte etwas zu Monica, was ich nicht verstand. Sie lächelte.
„Wir können das kleine Zimmer nebenan nutzen, um uns trockene Sachen anzuziehen. Der Tee und das Gebäck sind ein Geschenk des Hauses. Sie wissen, dass wir Pilger sind.“ „Na dann haben sie sich jetzt gerade um die Vermietung eines Zimmers gebracht. Ich wollte nämlich gerade eines für uns buchen“, erwiderte ich. Ein kurzes, leises „Schade“ drang an mein Ohr.
„Wie meinst du das, bitte?“ musste ich jetzt einfach fragen und bekam eine überraschende Antwort.
„Weil das Hotel ausbucht ist — kein Zimmer frei. Aber die Idee war gut.“ Ihr verschmitztes Lächeln brachte mich durcheinander und machte mich verlegen. Sie schaute mich an, schnappte sich eines der Handtücher und verschwand in den Nebenraum.
„Jakobsweg, Jakobsweg. Du gehst auf dem Jakobsweg“, sagte ich zu mir und versuchte, meine Phantasie im Zaum zu halten. Nach einer Weile kam Monica wieder zurück und so konnte auch ich mir trockene Klamotten anziehen. Als ich damit fertig war, hatte Monica den Reiseführer studiert. „Bis Logroño sind es noch zwanzig
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