1001 - Die Jäger von Chircool
auf-traten. Sie brauchten warme, trockene Luft - Doc Mings Haus war das einzige im Dorf von Chircool, in dem jederzeit offene Feuer unterhalten werden durften. Alle anderen Betschi-den hatten sich den Bordgesetzen zu fügen, die den Gebrauch von Feuer in den Kabinen untersagten.
Doc Ming stieß die Tür zu seinem Behandlungsraum auf. Die drei Jäger waren nicht zum erstenmal in diesem Haus, aber die seltsame Atmosphäre in diesem Zimmer schlug sie immer wieder in ihren Bann.
Die Heiler bildeten eine verschworene Gemeinschaft. Seit zwanzig Generationen wach-ten sie über die Gesundheit der Betschiden. Auch wenn der Kapitän die Aufgabe hatte, das Logbuch zu führen, waren seine Eintragungen meistens bei weitem nicht so genau wie die Überlieferungen der Heiler. Dementsprechend wußte Doc Ming mehr über die Ge-schichte des Dorfes, als Claude St. Vain jemals erfahren hatte. In Regalen, die an den steinernen Wänden befestigt waren, lagen die Zeugen der Vergangenheit - die uralten Bücher, in die die ersten Heiler alles eingetragen hatten, was es über den Planeten Chir-cool und die Betschiden zu berichten gab, die Rindenblätter, die man wenig später anstel-le der kostbaren Folien hatte verwenden müssen, und die Überreste jener Werke der Heilkunst, die die Verbannten aus der SOL mitgebracht hatten.
Die Bücher waren längst nicht mehr lesbar. Ein Brand hatte das Dorf verwüstet, als die letzten Folianten mit Eintragungen gefüllt gewesen waren. Die Folien hatten der Hitze wi-derstanden, da man das Haus des Heilers hatte löschen können, ehe alles restlos zerstört wurde, aber die Schrift auf den glatten Blättern war ausgelöscht worden. Einige der Bü-cher waren wie neu, ihre Seiten leer und weiß. Doc Ming hätte einen Arm und ein Bein dafür gegeben, sie für seine Eintragungen benutzen zu können, aber jede Art von Farbe, die man aus den Teilen der verschiedensten Pflanzen gewann, weigerte sich, auf diesem Material zu haften. Die älteren Rindenblätter waren dem feuchtheißen Klima zum Opfer gefallen. Erst später war man dahintergekommen, wie man diese Blätter konservieren und auch die Farbe haltbarer machen konnte. Doc Ming pflegte zu diesem Thema zu bemer-ken, daß die verehrten Vorfahren aus der SOL vermutlich genau gewußt hätten, wie man sich zwischen den Sternen bewegte, leider aber keine Ahnung davon gehabt hatten, wie man Folien und Farbe herstellte.
Dennoch war der Anblick der Bücher beeindruckend, und neben ihnen bewahrte Doc Ming andere, faszinierende Dinge auf. Da gab es eine Injektionspistole, deren metallene Teile immer noch geheimnisvoll glänzten und schimmerten, die jedoch längst nicht mehr benutzt wurde, weil die Vorfahren der Betschiden es nicht geschafft hatten, die entsprechenden Medikamente herzustellen. Neben dem nutzlosen Gerät stand ein Mikroskop.
Jeder Heiler verdankte diesem Ding zahlreiche Alpträume, denn mit den einfachen, relativ schwachen Linsen konnte man haargenau sehen, welche Art von Leben sich in den Wun-den oder in den Körperflüssigkeiten kranker Betschiden herumtrieb - nur gab es nichts, womit man einem so winzigen Gegner zu Leibe zu rücken vermochte. Zur brauchbaren Hinterlassenschaft der Ahnen gehörten einige winzige, scharfe Messer aus Metall, dazu ein paar Scheren, Klammern, Nadeln - sie nutzten sich im Lauf der Zeit ab, und man konnte ohne einen Funken von hellseherischer Begabung voraussagen, daß schon bald ein Heiler ganz ohne diese Hilfsmittel auszukommen hatte. Der wohl nutzloseste, aber dafür imposanteste Bestandteil der Sammlung, die Doc Ming hütete, stand neben dem Fenster in der Ecke, und es waren starke Seile aus geflochtenem Leder dazu erforderlich, es in aufrechter Stellung zu halten - es war ein Roboter. Seine Sehzellen waren blind, und seine Hülle war stumpf. Irgendwann hatte der Rost seinem mechanischen Leben ein Ende gesetzt. Viele seiner Handlungsarme waren verstümmelt, weil die Heiler früherer Zeiten die daran befindlichen Werkzeuge abmontiert hatten. Jörg Breiskoll saß in einem mit wei-chen Fellen bespannten Sessel und starrte unverwandt auf diesen Roboter, als die drei Jäger mit Doc Ming das Zimmer betraten. Er wandte den Kopf und duckte sich leicht im Sitzen. Es war schwer zu sagen, ob das eine Geste der Abwehr oder eine der Verlegen-heit war. Surfo Mallagan, Brether Faddon und Scoutie, die Erfahrung im Umgang mit dem katzenhaften Jungen hatten, vermieden es, Jörg neugierig anzusehen. Doc Ming und Mal-lagan setzten sich in
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