1001 Versuchung
sie die Herausforderung, so dumm zu sein und Ja zu sagen.
Ja wozu? Doch wohl nicht zu dem, was sie dachte, oder? „Entschuldigung, ich habe nicht richtig verstanden.“
„Ich sagte, ich komme morgens hierher, bis Sie Ihre Zeichnung beendet haben, dafür verbringen Sie die Nachmittage mit mir.“
Schlicht und einfach, schien seine Miene zu sagen, doch sein Blick erzählte eine ganz andere Geschichte.
„Ich verstehe nicht ganz.“ Wer war dieser Mann? Plötzlich fühlte Rosalie sich bedroht. Die Nähe zu den Tieren und ihm engte sie ein. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als die Erinnerung an die Ereignisse der Vergangenheit sie überrollte. Die Angst überkam sie mit Wucht, unaufhaltsam.
Sein Blick bohrte sich in ihren, so als könne er lesen, was in ihrem Kopf vor sich ging. Sie sah, wie er die Augenbrauen hob, leichtes Erstaunen im Gesicht. Die Pferde bewegten sich, öffneten den Kreis, und Rosalie schien die warme Brise vom Meer her viel zu kühl.
„Das ist doch recht verständlich, oder? Ich erhole mich gerade von einem Unfall und bin des Alleinseins müde. Zwar darf ich mich mit Zustimmung der Ärzte schon wieder ein wenig bewegen, aber ich bin noch in Behandlung. Für die Dauer der Physiotherapie kann ich nicht viel unternehmen.“ Er zuckte die breiten Schultern. „Ein paar Tage Gesellschaft wären eine Ablenkung für mich, bis ich wieder die Dinge tun kann, die ich tun will.“
Rosalie hielt ihn nicht für einen Mann, der, um Gesellschaft zu haben, auf Fremde angewiesen war. Selbst jetzt, obwohl ihre Nerven noch immer angespannt waren, konnte sie seine Anziehungskraft fühlen. Ihn umgab eine Aura von Macht und männlicher Stärke. Eine Aura, die tief in ihr ein verborgenes Verlangen anrührte.
„Sie haben doch sicher Freunde, die …“
„Das genau ist das Problem“, murmelte er. „Mit meiner Ungeduld und meinem Stolz habe ich sie alle verschreckt. Ich wies sie an, mich nicht zu besuchen, bis es mir besser geht.“ Er lächelte zerknirscht, was ihn jünger aussehen ließ, zugänglicher. „Ich wollte kein Mitleid, während ich herumhumple.“
„Dennoch glaube ich nicht …“
„Ich bin ein ehrbarer Mann“, versicherte er ihr. Die Miene des aristokratisch schönen Gesichts verriet Rosalie, dass er es sonst nicht nötig hatte, für seine Ehrbarkeit zu garantieren. „Mein Name ist Arik Kareem Ben Hassan. Ich wohne dort.“ Er deutete auf die Burg auf den Klippen hinter ihm.
Rosalie riss die Augen auf. Er wohnte in der riesigen Burg? Sie hatte die Anlage für ein Museum oder ein Nationaldenkmal gehalten, nicht für ein Zuhause. Aber hatte sie nicht schon vermutet, dass er ein Mann mit Autorität war? Und seinen Englischkenntnissen nach zu urteilen, musste er lange Zeit in Übersee verbracht haben. Gehörte ihm die Burg etwa?
„Sie können sich in Ihrem Hotel nach mir erkundigen, jeder kennt mich. Fragen Sie einfach nach Scheich Ben Hassan.“
Ein Scheich! Unmöglich, dass es in Q’aroum zwei solch außergewöhnliche Männer gab mit demselben Titel. „Ich dachte, der regierende Fürst ist der Scheich.“ So wurde auf jeden Fall ihr Schwager angesprochen, auch wenn sie ihn immer nur bei seinem Namen nannte, Rafiq, dieser unglaublich attraktive Mann, der ihre Schwester Belle im Sturm erobert hatte.
Der Mann vor ihr schüttelte den Kopf. „Der Fürst ist unser Staatsoberhaupt, aber jeder Stamm hat einen eigenen Scheich. Mein Volk lebt auf den östlichen Inseln von Q’aroum, ich bin ihr Oberhaupt.“ Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, bei dem ihr Magen zu flattern begann. „Keine Angst. Entgegen den üblichen Gerüchten und trotz der großen Versuchung entführen wir schon lange keine blonden Schönheiten mehr, um sie in unserem Harem einzusperren.“
Rosalie wollte schon fragen, ob es früher wirklich üblich gewesen war, doch eigentlich kannte sie die Antwort bereits. Die Geschichte des Inselstaates war angefüllt mit exotischen Erzählungen über Piraterie und Raubzüge. Der sagenhafte Reichtum des Landes war vor Jahrhunderten durch das Plündern von Handelsschiffen begründet worden. Den Q’aroumis eilte der Ruf von unerschrockenen Kriegern voraus, die nicht nur Reichtum und Luxus, sondern auch Schönheit zu schätzen wussten. So sollten der Legende nach auch immer wieder schöne Frauen zu ihrer Beute gezählt haben.
„Jetzt bin ich im Nachteil“, fuhr er fort. „Sie kennen nun meinen Namen, aber ich Ihren nicht.“
„Ich heiße Rosalie. Rosalie Winters.“
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