1002 - Das weiße Schiff
ausgrub, konnte man ihn bedenkenlos in die Hand nehmen.
Brether Faddon sah, daß er, bevor Foljor ihm den Stoß versetzt hatte, diesem Blatt sehr nahe gewesen war - besser gesagt: Er hatte es sogar mit dem Bein berührt.
Wahrscheinlich hatte der Skorpion die Erschütterung gespürt und war herbeigeeilt, um den Störenfried zu vertreiben.
„Entschuldige", brachte der Jäger mühsam hervor. „Ich dachte schon, du wolltest dich mit mir anlegen."
Foljor lächelte schwach.
Doc Ming aber betrachtete das Tier, das erst jetzt den Rand des Blattes erreichte. Er peilte zu der Stelle hinüber, an der Foljor gesessen hatte, und kam zu dem Schluß, daß der Jäger unwahrscheinlich schnell reagiert hatte. Er konnte, bevor er aufgesprungen war, gerade erst die Spitzen der Beißzangen wahrgenommen haben. Viele kleine Bewohner des Dschungels besaßen solche Zangen, und die meisten davon waren für die Betschiden ungefährlich. Es schien fast unglaublich, daß Foljor so schnell den winzigen Angreifer identifiziert und dann auf Warnungen, die zu spät gekommen wären, verzichtet hatte.
Doc Ming fragte sich, wie Foljor das angestellt hatte. Vielleicht, so dachte er, war der Jäger schon vorher in die Nähe der betreffenden Pflanze geraten, hatte den Skorpion gesehen und wegen der allgemeinen Aufregung vergessen, die anderen vor der Gefahr zu warnen.
Im selben Augenblick rumpelte es wieder einmal. Diesmal achteten die Jäger kaum noch darauf. Foljor aber hob den Kopf und lauschte, ging ein paar Schritte zur Seite und legte die Hand gegen einen hohen, schlanken Baumstamm.
„Es ist, wie ich es befürchtet hatte", sagte er leise. „Sie kommen näher. Es wird Zeit, daß wir von hier verschwinden."
Diesmal widersprach niemand, denn im Abstand von wenigen Sekunden krachte es fünf-, sechsmal, und sie spürten alle die leichten Erschütterungen, die den Boden durchliefen.
In aller Eile rafften sie ihre Habseligkeiten zusammen. Viele der Dorfbewohner, die man in dem hohlen Weißrindenbaum untergebracht hatte, schliefen noch. Sie reagierten unwillig, als die Jäger sie rücksichtslos aus ihren Träumen rissen. Sobald sie aber sahen, wo sie sich befanden, schwand ihr Mut, und sie verließen beklommen ihr seltsames Quartier. Keiner von ihnen hatte mehr gerettet als das, was er zum Zeitpunkt des Überfalls auf dem Leibe getragen hatte.
Ein paar Jäger löschten eilig das schwelende Feuer und schaufelten mit den Händen die glitzernden Ausscheidungen der Scouts über den schwarzen Aschefleck. Danach mußten sie sich beeilen, aus dem Baum herauszukommen, denn die rechtmäßigen Bewohner des lebenden Turmes stießen wütend auf sie herab.
Andere Jäger zerstörten das Versteck am Bach. Sie taten es so, daß jeder, der fremd in diesem Dschungel war, Mühe haben mußte, zu erkennen, daß sich an diesem Ort Menschen aufgehalten hatten.
Foljor übernahm die Führung. Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden. Doc Ming erkannte erst jetzt, wie groß die Zahl der Dorfbewohner war, die bei den Jägern Schutz gesucht hatten. Er begriff, daß die Gruppe um Surfo Mallagan nicht darauf gewartet hatte, daß die Flüchtlinge vom Zufall an den richtigen Ort geführt wurden. Vermutlich hatten sie nicht nur jene Flüchtlinge zu sich geholt, die vom Dorf aus nach Osten geflohen waren, sondern auch einen großen Teil jener, die sich in südliche und südwestliche Richtung gewandt hatten. Rund fünfzig Betschiden bewegten sich mit der für „Schiffsbewohner" typischen Unsicherheit durch den Dschungel. Sie zu führen und zu beschützen, war die Aufgabe von nur sechs Jägern, die Parasitenträger ausgenommen. Hinzu kamen zwölf Halbwüchsige, die frühestens im nächsten Jahr zu ihrer ersten eigenen Jagd aufbrechen würden. Unter ihnen waren Kinder, kaum zwölf Jahre alt. Alle anderen, zwölf Jäger und sechs Jungen und Mädchen, die sich auf ein solches Leben vorbereiteten, waren unterwegs, zur südlichen Schlucht, in der sich die Chircools drängten, zum Schiff der Fremden, das man im Auge behalten mußte, oder irgendwo im Dschungel in der Nähe des Dorfes, um dort weitere Betschiden zu suchen, die dem Unheil entronnen waren.
Doc Ming entdeckte einen Jäger, der zwei Bögen mit sich trug, und ließ sich eine der Waffen geben. Er erhielt von einem anderen Jäger einen gefüllten Köcher. Von seinem Messer hatte er sich niemals getrennt. Als er - zum erstenmal seit vielen Jahren - solcherart bewaffnet und mit der vollen Verantwortung eines Jägers
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