1004 - Die Stufen der Erkenntnis
Betschiden. Sie hatten rasch gelernt, daß es nichts fruchtete, auf die Kugeln zu schießen; im Gegenteil, sie machten dadurch ihre Lage nur schlimmer. Die Kugeln absorbierten Energie und vermehrten sich dabei. Mallagan, Faddon und Scoutie hatten offenbar „richtig" erkannt, daß es sich bei den Energiegebilden um eine Sicherheitsvorrichtung des Gegners handelte, die neutralisiert werden konnte, indem man sich ruhig verhielt, bis die Vorrichtung zu dem Schluß kam, es existierte keine Gefahr mehr.
Unmittelbar nach dem Abzug der Kugeln waren die drei Betschiden aufgebrochen.
Kullmytzer verfolgte ihren Fortschritt anhand winziger Peilzeichengeber, die in ihre Schutzmonturen eingebaut waren und trotz des vermeintlichen Ausfalls alles technischen Geräts nach wie vor einwandfrei funktionierten. Mallagan und seine Gefährten waren auf dem Weg nach Norden, in Richtung des am weitesten vorgeschobenen Gebäudes der „feindlichen" Anlage. Anstatt auf Hilfe von der SANTONMAR zu warten, hatten sie das Heft selbst in die Hand genommen.
Kullmytzer kannte die Gedanken nicht, die ihnen durch den Kopf gingen. Aber er war bereit, zu wetten, daß sie, sobald sie ihr Ziel erreicht hatten, vor allen Dingen nach zwei Dingen suchen würden: Waffen, mit denen sie sich die Kugeln vom Leib halten konnten, und Kommunikationsgeräte, um Verbindung mit der SANTONMAR aufzunehmen.
Sie befanden sich, ohne es zu wissen, bereits mitten in der zweiten Prüfphase. Die dritte begann, wenn sie das Gebäude erreichten. Kullmytzer war zuversichtlich. Er hatte sich angewöhnt, die Betschiden als seine Schützlinge zu betrachten.
Wenn ihn nicht alles täuschte, würden sie sich in Kürze zur dritten Stufe des Verstehens aufschwingen.
*
Ein Geräusch ließ Surfo Mallagan auffahren. Es war finster ringsum. Das Geräusch kam aus der Richtung des Korridors. Brether Faddon stieß gegen ein Hindernis und fluchte unterdrückt.
„Sind die Kugeln fort?" fragte Surfo.
„Sang- und klanglos verschwunden", kam Brethers Antwort aus der Dunkelheit. „Sie schwebten einfach davon. Über den Dschungel hinweg nach Norden."
Surfo rieb sich die Müdigkeit aus den Augen.
„Wir machen uns sofort auf den Weg", brummte er.
„Mir ist bei der Sache nicht ganz wohl", sagte Scoutie, die inzwischen ebenfalls aufgewacht war. „Die erste Kugel, die Brether sah und die er für eine Sinnestäuschung hielt, befand sich nördlich von hier. Die zwei Kugeln, mit denen wir es zu tun hatten, kamen aus Nordosten. Und jetzt haben sie sich nach Norden verzogen. Im Norden liegt das Gebäude, das wir uns ansehen wollen. Wir laufen den Kugeln hinterher."
Derselbe Gedanke war auch Surfo schon durch den Kopf gegangen. Aber an seinem Plan änderte sich deswegen nichts. Die Idee, sie könnten hier einfach warten, bis man ihnen von der SANTONMAR zu Hilfe kam, hatte er längst aufgegeben. Er wußte nicht, wann die Hilfe eintreffen würde, und in der Zwischenzeit mochten die Kugeln zur Großoffensive übergegangen sein. Er hatte keine Ahnung, was sie im Innern des Gebäudes finden würden, aber selbst wenn es völlig leer war, waren sie nicht schlimmer dran als in der Kabine des energetisch lahmgelegten Beiboots.
Sie turnten hinaus. An Geräten nahmen sie mit, was die Taschen zu halten vermochten. Das meiste funktionierte nicht, aber das mochte sich ändern, wenn die Gefahr, die von den Kugeln ausging, erst einmal gebannt war. Surfo schlug die Richtung zum Fluß hinab ein. Die Wand des Dschungels verdeckte den Ausblick. Er legte Wert auf ein möglichst ausgedehntes Blickfeld, solange es das Gelände erlaubte.
Die Nacht war warm und von erdrückender Feuchtigkeit. Aus dem Wald drang das unablässige Sirren der Insekten. Als sie sich dem Ufer des Stromes näherten, hörten sie plätschernde Geräusche von Tieren, die sich an der Wasseroberfläche bewegten. Trotz der geringen Schwerkraft, die weniger als zwei Drittel der künstlichen Gravitation an Bord der SANTONMAR betrug, wurde ihnen der Marsch bald zur Qual. Die Schutzmonturen waren klimatisierbar, aber das Klimaaggregat funktionierte nicht mehr.
Die Anstrengung trieb ihnen den Schweiß aus den Poren, und die Luft war zu feucht, als daß durch Verdunstung eine kühlende Wirkung hätte entstehen können. Immerhin legten sie die ersten zweihundert Meter ziemlich rasch zurück. Aber dann näherte sich von rechts her die Wand des Dschungels und rückte immer dichter ans Wasser heran.
Surfo zog die Machete aus dem Gürtel und
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