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1007 - Totenwache

1007 - Totenwache

Titel: 1007 - Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wahren Wert und auch deine alte Stärke zurückzufinden. Ich gebe dir Zeit. Du kannst hier bei uns bleiben, wenn du willst.«
    »Ich muß nach Lauder«, flüsterte ich.
    »Ja, das verstehe ich.«
    »Ich muß zu meinen Eltern. Ich muß sie sehen, und ich muß sie beerdigen.« Die letzten Worte waren mir verdammt schwer über die Lippen gekommen.
    Wenn ich an die Beerdigung dachte, wuchs der Kloß in meinem Magen noch und verwandelte sich in einen regelrechten Felsbrocken. Das alles mußte ich hinnehmen, damit mußte ich fertig werden, und ich wußte auch, daß das Schwerste noch vor mir lag.
    Ich hatte noch nicht mit Lauder telefoniert. Mir war aber bekannt, daß sich mein Freund Suko dort aufhielt. Irgendwo schreckte ich davor zurück, zu telefonieren, aber ich würde es irgendwann tun müssen, das stand auch fest. Es war einfach nicht möglich, für immer den Kopf in den Sand zu stecken.
    Ich dachte auch an meine anderen Freunde. An die Conollys, an Jane Collins, an Glenda, an Sir James. Sicherlich waren sie alle informiert worden, und ich wußte auch, daß sie litten, denn sie hatten meine Eltern ebenfalls gekannt.
    »Möchtest du noch etwas trinken, John?«
    »Ja, bitte.«
    Er goß mir das Glas zur Hälfte voll.
    Diesmal konnte ich es mit einer Hand fassen, weil ich nicht mehr so zitterte, aber der Kloß saß noch immer in meinem Hals, und deshalb fiel mir auch das Trinken schwer. Es befand sich noch Wasser im Glas, als ich es abstellte.
    »Möchtest du etwas sagen, John?«
    Ich hob die Schultern. »Ja, natürlich möchte ich etwas sagen. Ich kann ja nicht immer stumm bleiben.«
    »Das kannst du nicht.«
    »Ich werde telefonieren müssen«, murmelte ich. Dabei schaute ich über den Schreibtisch hinweg und gegen das Fenster, dessen Scheibe sich oberhalb des Knochensessels abmalte. Dahinter fing die Natur allmählich an zu erblühen. Ein neues Kleid entstand; sie war nicht gestorben, sie hatte sich nur ein paar Monate zurückgezogen und erwachte wieder aus dem Schlaf.
    Auch der Mensch gehörte dazu. Ich war ebenfalls ein Mensch, ein Stück Natur, und ich würde ebenfalls wieder erwachen. Das Leben ging weiter. So schlimm der Tod meiner Eltern auch war, ich würde darüber hinwegkommen, das stand fest.
    Ich hatte Freunde, ja, aber ich hatte auch Feinde. Gefährliche und todbringende Gegner, die mir die Pest an den Hals wünschten und erst aufatmeten, wenn sie mich tot sahen.
    Noch lebte ich.
    Und ich würde auch weiterhin am Leben bleiben, das nahm ich mir in diesen Sekunden fest vor.
    Durch den Mund holte ich Luft und schaute den Abbé dabei an. In seinen Augen entdeckte ich so viel Verständnis für meine Lage. Er lächelte mir auch zu.
    »Es ist ja schon schlimm genug, daß meine Eltern gestorben sind«, sagte ich leise. »Am schlimmsten jedoch ist, daß ich mich an ihrem Tod schuldig fühle.«
    »Nein, du…«
    »Laß mich ausreden, bitte. Ich fühle mich schuldig. Hätte ich mich nicht auf den Weg gemacht, die Bundeslade zu finden, wäre das nicht passiert. Dann wären die beiden nicht gestorben und…«
    »Es ist das Schicksal gewesen, John. Eine Fügung. Der Zeitpunkt war eben da.« Er schüttelte den Kopf. »Und den bestimmen nicht wir, sondern der Allmächtige.«
    »Auch das ist richtig, Abbé. Das stimmt alles. Nur befreit mich deine Antwort leider nicht von der Last. Die habe ich weiterhin völlig allein zu tragen.«
    »Trotzdem kann ich dir nicht zustimmen, was die Schuldigkeit angeht. Wenn sich jemand schuldig fühlen sollte, dann nicht du, sondern ich. Denn durch mich hat alles angefangen. Mich hat der Hüter der Lade besucht und um Hilfe gebeten, und ich bin es gewesen, der dich nach Chartres in die Kathedrale geschickt hat. Versuche es doch so zu sehen. Da kommen wir besser zurecht.«
    »Ich weiß nicht«, gab ich zu. »Ich weiß einfach zuwenig. Vielleicht auch zuviel. Wer kann das schon sagen?«
    »Du mußt es schaffen, John, und du wirst es schaffen. Davon bin ich überzeugt.«
    »Irgendwann schon«, murmelte ich, »aber dazu müßte ich etwas in die Wege leiten.«
    »Was denn?«
    »Ich muß in Lauder anrufen, wo Suko sicherlich schon darauf wartet.«
    »Ja, dann tu das.«
    »Weißt du denn mehr oder etwas Neues?« fragte ich den Abbé.
    »Nein, leider nicht. Ich habe dir alles gesagt. Danach habe ich nicht mehr mit Suko gesprochen. Ich weiß nur, daß du ihn im Haus deiner Eltern erreichen kannst.«
    »Hält er Totenwache?«
    »Nein, das wohl nicht. Die Leichen sind obduziert worden. Suko war auch

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