1009 - Kometen-Geister
aus ihr hervor. Ich wußte im Moment keine Möglichkeit, den Tränenstrom zu trocknen.
Lange dauerte er zum Glück nicht. Sie holte ein Taschentuch hervor und tupfte sich das Gesicht ab.
Nun atmete sie tief durch. Dann senkte sie den Kopf, suchte nach Worten, fand sie auch und sprach den Satz aus, der mich aufhorchen ließ.
»Hier sind unheimliche Dinge passiert, die ich mir nicht erklären kann. Ich habe Angst bekommen und denke schon darüber nach, ob ich den Urlaub abbrechen soll.«
»Das müssen Sie entscheiden, Carol, aber ich würde vorschlagen, daß Sie mich ins Vertrauen ziehen. Wollen Sie mir nicht sagen, was vorgefallen ist?«
»Riechen Sie es nicht?«
»Wenn Sie den Rauch meinen, diesen Brandgeruch, dann muß ich Ihnen zustimmen.«
»Ach - bei Ihnen nebenan auch.«
»In der Tat.«
Carol kratzte sich an der Stirn. »Haben Sie noch mehr gespürt, was Ihnen ungewöhnlich vorgekommen ist, John?«
»Denken Sie an das Zittern oder Vibrieren des Bodens? An die Kräfte in der Tiefe?«
»Ja, daran denke ich.«
»Da haben Sie sich auch nicht geirrt, Carol. Das ist mir ebenfalls widerfahren.« Ich kam auf den Jungen zu sprechen. »Ist das auch der Grund, weshalb Brian sich zurückgezogen hat?«
Carol Simmons legte die Hände zusammen und blickte während ihrer Antwort an mir vorbei. »Nicht nur das«, gab sie mit leiser Stimme zu. »Es gibt noch einen anderen Grund.«
»Welchen?«
Sie wiegte den Kopf und schien sich mit der Antwort zu quälen. »Ich weiß nicht, ob ich Sie damit belästigen soll, John. Das weiß ich wirklich nicht. Vielleicht lachen Sie mich auch aus. Das kann man ja alles nicht wissen. Sie können mich auch für eine überzogene und völlig verdrehte Person halten…«
»Warten Sie ab, Carol. Ich möchte, daß Sie mir vertrauen.«
Sie wartete noch mit der Antwort. »Sie sind ja wohl der einzige, John, und ich kann nur hoffen, daß Sie mich nicht für eine dumme Pute halten.«
»Das sicherlich nicht.«
»Gut«, sagte sie dann, konnte aber nicht mehr sitzen bleiben, sondern stand auf und wanderte im Raum hin und her. Sie suchte nach Worten. Erst als sie vor dem Rollo stehenblieb, fing sie an zu sprechen. Und da sprudelten die Worte aus ihr hervor, so daß ich mich voll auf ihre Erzählungen konzentrieren mußte.
Was ich allerdings erfuhr, war schon interessant, und ich merkte auch, wie sich in mir etwas öffnete.
Eigentlich hatte ja Brian die Hauptrolle gespielt. Er war in den Wald gegangen, hatte dort die Mulde mit der Asche entdeckt und hatte auch die Gestalt gesehen, die am Fenster des Bads entlanggeschlichen war.
Carol Simmons drehte sich wieder um. »Glauben Sie mir denn, John? Können Sie das akzeptieren, obwohl das doch eigentlich Schwachsinn ist?«
»Ja.«
Sie schwieg, weil die schlichte Antwort sie überrascht hatte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Wieso denn? Warum fragen Sie nicht nach? Warum erklären Sie nicht, daß Sie mich und Brian schlichtweg für Spinner halten?«
»Weil ich Ihnen glaube, denn ich habe in meinem Haus die gleichen Phänomene erlebt. Den Geruch und auch die Vibrationen.«
»Ja«, sagte sie und nickte. »Aber da muß es doch eine Erklärung geben, John? Was ist hier los? Was spielt sich unter der Erde ab? Wir sind doch nicht im Kino und erleben die Zerstörung einer ganzen Siedlung wie im Film ›Poltergeist‹. Oder?«
»Das wohl nicht.«
Carol fuhr zu mir herum. »Aber sicher sind Sie auch nicht, John.«
Ich gab eine ausweichende Antwort, die mir selbst nicht gefiel. »Was ist im Leben schon sicher? Es ist sicher, daß wir sterben müssen, aber lassen wir das.«
»Das hörte sich an, als wollten sie etwas unternehmen, John.«
»Da haben Sie recht.«
»Und was wollen Sie tun?«
»Ich werde mich in der Umgebung umschauen müssen und mir vor allen Dingen den Wald vornehmen.«
»Sie wollen in den Wald gehen?« Vor Schreck blieb ihr der Mund offenstehen.
»Ja, warum sollte ich nicht?«
»Ich hätte Angst.«
»Das kann ich verstehen, aber sehen Sie eine andere Möglichkeit, Carol?«
»Ja, man verschwindet und läßt dies hier alles zurück. Das wäre mir am liebsten.«
»Sie können später noch immer entscheiden, wenn ich zurück bin. Zunächst einmal werde ich die Mulde unter die Lupe nehmen. Warten Sie hier auf mich. Vielleicht finde ich die Lösung ja.«
Sie schaute mich an, als würde sie mir nicht glauben, was ich letztendlich auch verstand…
***
War die Idylle verschwunden, oder bildete ich mir das nur ein, als mich die
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