101 - Der Seelensauger
den Gnom mit dem Revolver in Schach, während ich ein paar Schritte zur Seite machte. Ich kannte Cruv sehr gut. In seinem Innern brodelte die Wut.
Er hätte mich gern angegriffen, und ich konnte sicher sein, daß er es tun würde, wenn ich nur einen winzigen Moment unaufmerksam war. Er lauerte auf seine Chance.
Auf eine Chance, die ich ihm nicht bieten würde.
Ich riß das lange Telefonkabel aus der Wand und aus dem Apparat und warf es Tuvvana zu. Es fiel ihr über den Kopf und blieb an ihren schmalen Schultern hängen.
Sie wagte nicht, es fortzunehmen. Ich mußte es ihr befehlen. Erst dann nahm sie das Kabel in ihre kleinen Hände und schaute mich unglücklich an.
Ich grinste Cruv an. »Ich wette, du weißt, was sie zu tun hat.«
»Sie soll mich fesseln«, sagte der Gnom.
»Stimmt genau«, bestätigte ich. »Also, Tuvvana, fang an! Aber ordentlich. Ich überzeuge mich hinterher davon, daß die Knoten auch wirklich stramm sitzen.«
Cruv streckte seiner Freundin die Hände entgegen, doch damit war ich nicht einverstanden.
»Dreh dich um!« verlangte ich. »Sie soll dir die Arme auf den Rücken binden. Vorn würdest du die Knoten mit den Zähnen aufkriegen.«
Tuvvana fesselte ihren Freund. Ich sah ihr an, wie sehr es ihr widerstrebte, die Knoten festzuzurren, aber es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie mußte tun, was ich verlangte.
Nachdem sie auch Cruvs Beine gefesselt hatte, steckte ich den Revolver weg, hob den Gnom hoch und warf ihn auf das Sofa. Die Sprungfedern quietschten, und Tuvvana drehte durch.
Sie wollte fliehen, flitzte an mir vorbei, doch ich hakte blitzschnell mit dem Fuß nach und brachte sie zu Fall. Ich riß sie an den Haaren hoch und zischte ihr aus nächster Nähe ins Gesicht: »Tu das nie wieder, hörst du? Sonst vergesse ich, daß du eigentlich zu unwichtig zum Umlegen bist!«
Ich riß die Gardinenschnur ab, fesselte damit Tuvvana und warf sie auf Cruv. »Schön artig sein«, sagte ich dann zu den beiden. »Daß ihr mir hier keinen Ableger bastelt. Zwei von eurer Sorte sind genug.«
Ich verließ den Raum.
Der Weg zu Tucker Peckinpah war frei.
***
Arma schloß die Augen.
Plötzlich geriet eine heftige Bewegung in den Knochenberg, der sich über der Zauberin türmte. Die Skelette wurden auseinandergerissen. Sie flogen in hohem Bogen durch die Luft, schlugen auf dem Gottesacker auf und zerfielen klappernd.
Jemand schaufelte sich mit großer Kraft in die Tiefe - hinunter zu Arma. Jemand legte ihren Körper frei, schaffte alle Gerippe beiseite, die die Zauberin festhielten. Eine bekannte, vertraute Magie wirkte auf die Zauberin ein und unterstützte ihre Abwehrkraft.
Atax hatte diese Kraft geschwächt und lahmgelegt, doch nun konnte sich Arma ihrer wieder bedienen, und sie setzte sie augenblicklich gegen die vielen knöchernen Feinde ein.
Sie zerstörte jene Skelette, die sie daran hindern wollten aufzustehen, und ihr Retter hieb eine regelrechte Schneise in die Reihen der Knochenmänner.
Es war Metal, der Silberdämon, der Arma im allerletzten Moment zu Hilfe gekommen war. Wäre er ein paar Minuten später auf dem alten Friedhof eingetroffen, hätte er für Arma nichts mehr tun können, dann wäre Atax' Rechnung aufgegangen.
Metal - groß und breitschultrig, mit gekraustem Silberhaar - kämpfte sich zu Arma durch, Atax' magischer Befehl lautete, Arma zu töten, und das versuchten die Skelette auch weiterhin.
Die Gefahr würde für die Zauberin erst gebannt sein, wenn keines der Gerippe mehr »lebte«. Seite an Seite kämpften sie gegen die knarrenden und klappernden Knochenmänner.
Es war erstaunlich, wie schnell sich Arma erholt hatte. Eben noch hatte sie beinahe ihr Leben verloren, und nun zerstörte sie mit ihrer Zauberkraft ein Skelett nach dem andern.
Nachdem der letzte Knochenmann zusammengebrochen war, richtete sich Metal zu seiner vollen Größe auf und entspannte sich.
Die Zauberin umarmte ihn. »Ich dachte, ich würde das nicht überleben.«
»Wer hat die Toten aus den Gräbern geholt?« fragte Metal grimmig.
»Es war Atax.«
»Er war hier? Warum solltest du sterben? Du bist doch seine Verbündete.«
Arma sagte, was sie getan hatte. »Dafür wollte mich Atax bestrafen«, fügte sie hinzu.
Metal kniff die Augen zusammen. »Wieso wußte er, daß wir uns hier treffen würden?«
Die Zauberin zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er mich seit geraumer Zeit heimlich beobachtet. Meine Anwesenheit auf diesem alten Friedhof war dann eine günstige Gelegenheit
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